Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Herr der Unruhe

Der Herr der Unruhe

Titel: Der Herr der Unruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
Vom Netzwerk:
hoffnungsvoll wie zuvor, sondern ziemlich missmutig.
    »Aber das steht doch alles in seinem Lebenslauf!« Es folgte eine kleine Stille und dann ein gespanntes »Ach, und was konnten Sie dort entdecken?« Erneut schien Don Massimiliano zuzuhören, bis er ein wenig spöttisch bemerkte: »Sie sind Protestant, nehme ich an? … Wären Sie Katholik, dann wüssten Sie vermutlich, dass aus dem ersten Orden des heiligen Franz von Assisi drei Kongregatio-nen hervorgegangen sind: die Franziskaner, die Kapuziner und die Konventualen. Sonst haben Sie nichts herausgefunden? …«
    Die nächste Antwort Manzinis ließ Nicos Blut in den Adern stocken.
    »Damit haben Sie allerdings Recht. Andererseits kam der Junge ja schon 1932 nach Wien. Vielleicht war man seinerzeit dort noch duldsamer gegenüber den Juden als im Deutschen Reich.«
    Die Kerle sprachen von ihm, Niklas Michel alias Nico dei
    Rossi! Obwohl sein Name nicht gefallen war, lief es ihm eiskalt den Rücken hinunter. Manzini musste also doch Verdacht geschöpft haben, nachdem er von der Lauschaktion seines Lebens-uhrhüters im letzten September erfahren hatte. Durch das Schlüsselloch drang ein bedrohliches Knurren.
    »Gleich zu gleich gesellt sich gern.« Und nach einer kurzen Pause sagte der Hausherr: »Ich danke Ihnen.« Und legte zwei oder drei Herzschläge später auf.
    Nico war wie gelähmt. Hätte sich in diesem Moment die Tür geöffnet, wäre er mit dem Ohr am Schlüsselloch ertappt worden.
    Was sollte er jetzt tun? Eine Stimme in seinem Kopf sagte, er könne sich irren. Selbst wenn Don Massimiliano Erkundigungen über ihn einziehe, hieß das noch lange nicht, dass er ihn für den 232
    Sohn von Emanuele dei Rossi hielt. Du musst feststellen, was Hass gesagt hat. Ein vages Gefühl verriet ihm, dass der Anrufer Karl Hass war, der SS-Spion mit dem Decknamen »Amore«, der in der deutschen Botschaft …
    Plötzlich hörte Nico stampfende Schritte, die sich rasch nä-
    herten. Wie von einer Nadel gestochen, richtete er sich auf und klopfte kraftvoll an die Tür. Sie öffnete sich.
    Manzinis sauber gezupfte Augenbrauen gingen in die Höhe.
    Der glimmende Zigarrenstummel in seinem Mundwinkel drohte abzustürzen. »Sie?«
    Nico lächelte verlegen. »Hatte ich nicht gesagt, dass ich noch vorbeischauen werde? Ich weiß, es ist reichlich spät geworden …«
    »Schon gut, Michel. Sie haben ja nicht auf der faulen Haut gelegen.«
    »Allerdings nicht.«
    »Der Podestà von Pontinia hat mich angerufen, um sich bei mir zu bedanken.«
    War es nicht andersherum? Hast du mir nicht bei deinem Kollegen hinterherspioniert, weil du mir nicht traust? »Dann war er mit meiner Arbeit zufrieden?«
    »Sehr. Und ich bin es auch, weil Sie sich nicht in den Vordergrund gespielt haben. Anscheinend halten Sie sich an unsere Abmachung.«
    Anscheinend? »Ich tue, was ich kann. Soll ich dann gleich mal nach der Lebensuhr …?« Nico spürte die Hand des Stadtvorstehers auf seiner Brust.
    »Sie warten schön hier draußen, bis ich Laura zu Ihnen geschickt habe. Ausnahmsweise können Sie heute ja nur das Nö-
    tigste für meinen kleinen Schatz tun?«
    »Wie bitte?«
    »Ziehen Sie die Uhr auf und schauen Sie, ob ihr nichts fehlt.
    Danach gehen Sie nach Hause und legen sich aufs Ohr. Ich würde Ja selbst die Aufsicht übernehmen, aber Sie stinken mir zu sehr, Signor Michel.« Manzini grinste.
    233
    »Ein altes Hausrezept gegen die Mücken«, entschuldigte sich Nico.
    Don Massimiliano sperrte sein Arbeitszimmer ab, wünschte
    dem Hüter der Lebensuhr eine gute Nacht und stampfte davon.
    Merkwürdigerweise nahm er nicht die Treppe zum zweiten Obergeschoss, sondern die nach unten führende. Vermutlich würde er seiner Tochter telefonisch den Befehl zur Nachtschicht übermitteln. Es blieb also wenig Zeit.
    Von diesem Augenblick an war Nico jeden einzelnen Schritt mindestens ein Dutzend Mal in Gedanken durchgegangen. Er
    kratzte sich – außerplanmäßig – an der Schulter, zog einen Dietrich aus der Tasche und steckte ihn gefühlvoll ins Schloss. Seine Linke legte sich auf die Türklinke. Leise summte er vor sich hin, während sein Sinn sich auf den einfachen Mechanismus einstellte.
    Wie vermutet war die Sperrvorrichtung ziemlich alt und, genauso wie zuweilen menschliche Greise, von ausgesprochen widerbors-tiger Natur. Nico hatte sich zuvor gefragt, ob er überhaupt mit dem Eisenhaken im Schlüsselloch herumstochern sollte. Aber dies war nicht der richtige Zeitpunkt für unnötige Experimente.
    Wenn er

Weitere Kostenlose Bücher