Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)
zugedröhnt, um etwas zu spüren. Ich musste die Sache schnell zu Ende bringen, bevor mein Körper den Schaden, den ich ihm zugefügt hatte, registrierte.
Ich ging in die Spelunke zurück. Spinne, dem Blut aus der Nase quoll, kam mit seinem Dolch in der Hand die Treppe heruntergerast. Knurrend stürzte er sich auf mich – was dumm von ihm war, aber Spinne gehörte zu den Menschen, die sich von ein bisschen Schmerz aus der Fassung bringen lassen. Ich sprang ihm entgegen, tauchte ab und stieß ihm die Schulter gegen die Knie, sodass er die Treppe runterpurzelte. Als ich mich umdrehte, um ihn fertigzumachen, sah ich, dass seine Hand gebrochen war und der Knochen sich durchs Fleisch gebohrt hatte. Da wusste ich, dass weitere Gewalt sinnlos war. Während ich die Treppe hochstieg, umklammerte er seine Hand und schrie wie ein Neugeborenes.
Oben im ersten Stock waren die meisten Gäste inzwischen zur Wand zurückgewichen, um auf den Ausgang der Auseinandersetzung zu warten. Während ich unten beschäftigt gewesen war, hatte sich Tancred einen schweren Holzknüppel geschnappt, mit dem er sich gegen die Handfläche klatschte und dessen Griff zahlreiche Kerben aufwies. Tancreds entstelltes Gesicht war starr vor Wut, doch seine weit aufgerissenen Augen verrieten mir, dass er leicht zu überwältigen sein würde.
Ich duckte mich unter dem Knüppel weg, der durch die Luft zischte, und knallte Tancred die Faust in den Magen. Nach Luft schnappend taumelte er zurück und fuchtelte hilflos mit dem Knüppel herum. Ich packte ihn beim Handgelenk, das ich brutal verdrehte. Als er aufschrie und seine Waffe fallen ließ, zog ich ihn näher und fixierte ihn mit starrem Blick. Seine verunstalteten Lippen zitterten. Dann versetzte ich ihm einen Schlag, der ihm die Beine wegriss.
Jämmerlich heulend lag er vor mir. Die Zuschauer starrten mich an – Typen mit Säufernase und idiotischem Gesichtsausdruck, eine ganze Menagerie grotesker, von Inzucht zeugender Figuren, kurzum: Abschaum. Am liebsten hätte ich mir Tancreds Knüppel geschnappt, um damit auf sie loszugehen und einem nach dem andern den Schädel einzuschlagen, knacks , knacks , knacks , bis sich die Sägespäne rot färbten. Ich verdrängte den Impuls, der, so redete ich mir ein, nur eine Folge des Koboldatems war. Es war Zeit, die Sache zu Ende zu bringen, wenn auch nicht überstürzt. Theatralik war angesagt – ich wollte, dass dieses Pack weitererzählte, was es gleich zu sehen bekommen würde.
Ich schleifte Hasenschartes schlaffen Körper zu einem Tisch und legte einen seiner Arme ausgestreckt auf die Tischplatte. Während ich seine Hand mit der Linken nach unten drückte, packte ich mit der Rechten seinen kleinen Finger. »Wo verläuft unsere Grenze?«, fragte ich und brach ihm den Finger.
Er kreischte auf, gab aber keine Antwort.
»Wo verläuft unsere Grenze?«, wiederholte ich und brach ihm den nächsten Finger. Inzwischen schluchzte er, rang nach Atem und konnte kaum noch sprechen. Versuchen würde er es jedenfalls müssen. Ich brach ihm einen weiteren Finger. »Soll ich mich auch noch mit deiner anderen Hand befassen? Was meinst du?« Ich lachte, wobei ich mir nicht ganz sicher war, ob das zu der Darbietung dazugehörte. »Wo verläuft unsere Grenze?«
»Am Kanal!«, schrie er. »Am Kanal!«
Abgesehen von seinem Gejammer herrschte in der Kneipe Totenstille. Ich drehte den Kopf in Richtung der Zuschauer, um den Moment voll und ganz auszukosten. Dann sagte ich mit erhobener Stimme, damit alle es hören konnten: »Dein Revier endet am Kanal. Wenn du das noch einmal vergisst, wirst du bald tot im Kanal treiben.« Nachdem ich ihm noch einen Finger gebrochen hatte, ließ ich Tancred zu Boden fallen. Dann drehte ich mich um und verließ langsam den Raum. Spinne saß zusammengesunken unten auf der Treppe. Als ich an ihm vorüberging, blickte er weg.
Ein Dutzend Blocks weiter östlich ließ die Wirkung des Koboldatems nach. Ich hielt mich an einer Mauer fest und kotzte mir die Seele aus dem Leib, bis ich in die Knie ging. Dann kniete ich eine Weile im Dreck, bis sich mein Herzschlag wieder normalisiert hatte. Als ich mich aufrichtete, knickte mir das Bein weg, sodass ich einem Krüppel, bei dem ich gleich merkte, dass er die Verkrüppelung nur vortäuschte, seine Krücke abkaufen musste, um nach Hause humpeln zu können.
4
Ich erwachte mit Kopfschmerzen, im Vergleich zu denen mein geschwollener Fußknöchel sich anfühlte, als würde eine Zehn-Ockerlings-Nutte es mir
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