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Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Titel: Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Polansky
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konfrontiert.
    »Möchtest du was sagen?«
    »Ich wusste nicht, dass du so dringend einen Partner brauchst.«
    »Was hätte ich denn deiner Ansicht nach tun sollen? Ihm eins hinter die Ohren geben?« Ich massierte mir mit Mittel- und Zeigefinger die Schläfen. »Gibt’s was Neues?«
    »In ein paar Stunden findet vor der Prachetas-Kirche die Begräbnisfeier für Tara statt. Da wirst du wohl nicht hingehen, wie?«
    »Ganz recht. Sonst noch was?«
    »Dass du eine Auseinandersetzung mit Hasenscharte hattest, hat sich schon rumgesprochen. Falls du das wissen wolltest.«
    »Wollte ich.«
    »Tja.«
    In dem Augenblick beschloss mein Gehirn, dass es an der Zeit war, sich aus seinem langjährigen Kerker zu befreien, und machte sich auf eine zwar wild entschlossene, wenn auch ineffektive Weise daran, wie ein Rammbock gegen sein Gehäuse vorzugehen. Als Adeline von der Küche aus meine Qualen bemerkte, stellte sie einen Topf Kaffee auf.
    Ich war gerade bei der zweiten Tasse des schwarzen, süßen Gesöffs, da kam der Junge zurück. Er stellte den Beutel mit Einkäufen auf den Tresen und legte das Wechselgeld daneben.
    »Sieben Kupferlinge zurück«, bemerkte ich. »Was hast du vergessen?«
    »Nichts.« Seine Lippen verzogen sich zu etwas, das an ein Lächeln erinnerte. »Das Gartenmesser hab ich geklaut.«
    »Dann bist du also ein Langfinger. Gratuliere. Das ist ein echt exklusiver Club.« Ich nahm eine Orange aus dem Beutel und schälte sie. »Bei wem hast du das Obst gekauft? Bei Sarah oder bei Yephet dem Eiländer?«
    »Bei Yephet. Das von Sarah ist immer halb verfault.«
    Ich aß einen Orangenschnitz. »Hat dem Eiländer heute sein Sohn oder seine Tochter geholfen?«
    »Seine Tochter. Sein Sohn ist schon seit ein paar Wochen nicht mehr da.«
    »Welche Farbe hatte ihr Hemd?«
    Er zögerte kurz. »Sie hatte einen grauen Kittel an.« Sein fragmentarisches Grinsen stellte sich wieder ein. »Aber du kannst gar nicht wissen, ob das stimmt, weil du die Kneipe ja nicht verlassen hast.«
    »Trotzdem würde ich wissen, ob du mich anlügst.« Ich aß die Orange auf, warf die Schalen auf die Theke und tippte ihm mit zwei Fingern gegen die Brust. »Das würde ich immer wissen.«
    Er nickte, ohne den Blick von mir abzuwenden.
    Ich schob die Münzen in den Geldbeutel, den er gekauft hatte, und hielt diesen verlockend in die Höhe. »Hast du einen Namen?«
    »Die Kinder nennen mich Zeisig.«
    »Betrachte es als Lohn für den Rest der Woche.« Ich warf ihm den Beutel zu. »Kauf dir davon ein neues Hemd – du siehst aus wie ein Penner. Und komm später am Abend wieder her. Könnte sein, dass ich einen Auftrag für dich habe.«
    Er nahm diese neue Entwicklung ungerührt hin, als sei das Ganze so oder so ohne Belang.
    »Und hör auf zu klauen«, fuhr ich fort. »Wenn du für mich arbeitest, darfst du in unserer Gegend nicht zappzarapp machen.«
    »Was heißt zappzarapp ?«
    »In diesem Zusammenhang stehlen .« Ich machte eine Kopfbewegung in Richtung Tür. »Ab mit dir.« Ohne sich allzu sehr zu beeilen, verließ er die Kneipe. Ich nahm die zweite Orange aus dem Beutel. Adolphus hatte wieder eine finstere Miene aufgesetzt. »Möchtest du was sagen?«
    Er schüttelte den Kopf und machte sich daran, die vom gestrigen Abend noch herumstehenden Gläser abzuwaschen.
    »Jeder Stein ist ein besserer Schauspieler als du. Spuck aus, was dir quersitzt, oder hör auf, mich mit Blicken zu erdolchen.«
    »Du bist kein Zimmermann«, sagte er.
    »Was zum Teufel will ich dann mit diesem Gartenmesser?«, entgegnete ich, das Werkzeug hin und her schwenkend. Adolphus kräuselte verächtlich die wulstigen Lippen. »Ich bin kein Zimmermann, richtig.«
    »Und du bist kein Schmied.«
    »Hab ich auch nicht behauptet.«
    Adolphus knallte den Krug, den er in der Hand hielt, auf den Tresen. Seine auflodernde Wut erinnerte mich an einen Tag bei Apres, als er mit seinen massiven Armen einem Dren den Schädel zerquetscht hatte, als zerdrückte er ein Ei, und Blut und Hirnmasse daraus hervorgequollen waren. »Wenn du kein Zimmermann und kein Schmied bist, warum zum Teufel nimmst du dann einen Lehrling an?« Den letzten Satz spuckte er mir förmlich ins Gesicht, zusammen mit einer gehörigen Portion Speichel.
    Seine leere Augenhöhle verschaffte ihm einen Vorteil, den ich als unfair empfand. Ich wandte den Blick ab. »Ich verurteile deine Tätigkeit keinesfalls. Aber so was sollte ein Kind nicht lernen.«
    »Was schadet es ihm, mir Frühstück zu besorgen?«
    Adolphus

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