Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Titel: Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Polansky
Vom Netzwerk:
zuckte die Achseln, ohne überzeugt zu sein.
    Ich aß die zweite Orange auf und machte mich schweigend über die Aprikosen her.
    Es ist immer beunruhigend, wenn Adolphus schlechte Laune hat. Teilweise deswegen, weil es mich daran erinnert, dass die Hälfte der Stadtwache erforderlich wäre, um ihn zu bändigen, falls er je in Rage geriete, hauptsächlich jedoch, weil es einfach unerfreulich ist zuzusehen, wie ein fetter Mann vor sich hin brütet. »Du hast ja heute eine Stinklaune«, sagte ich.
    Sein Gesicht sackte nach unten, was ihn älter als sonst aussehen ließ. »Das ist wegen des Kindes«, erklärte er.
    Es war klar, dass er nicht das Kind meinte, das gerade die Kneipe verlassen hatte. »Die Welt ist krank, aber das wissen wir nicht erst seit gestern.«
    »Wer wird dafür sorgen, dass der Mord an dem Kind gesühnt wird?«
    »Darum wird sich die Stadtwache kümmern.« Mir war durchaus bewusst, was für ein zweifelhafter Trost das war.
    »Die Stadtwache könnte noch nicht mal in einem Hurenhaus eine Nutte ausfindig machen.«
    »Man hat die Krone eingeschaltet. Zwei Ermittlungsbeamte in feinster Kluft. Sogar einen Seher hat man holen lassen. Die werden schon was entdecken.«
    »Wenn sich die Kleine auf die Krone verlassen soll, wird ihre Seele niemals Frieden finden.« Er sah mich durchdringend an.
    Diesmal wandte ich den Blick nicht ab. »Das ist nicht mein Problem.«
    »Du willst also zulassen, dass ihr Schänder ungeschoren davonkommt?« Immer wenn Adolphus melodramatisch wurde, verstärkte sich sein skythanischer Akzent. »Die gleiche Luft wie wir atmet? Unsere Brunnen verunreinigt?«
    »Ist er hier irgendwo? Dann schick ihn zu mir. Ich werde ihm mit was Schwerem den Schädel einschlagen.«
    »Du könntest nach ihm suchen.«
    Ich spuckte einen Aprikosenkern auf den Fußboden. »Wer hat mich vorhin noch mal darauf hingewiesen, dass ich außerhalb von Recht und Ordnung operiere?«
    »Mach ruhig deine Witzchen und spiel den Narren.« Er ließ seine Faust auf die Theke niedersausen, sodass das schwere Holz ins Beben geriet. »Aber ich weiß, warum du letzte Nacht weggegangen bist, und ich kann mich noch daran erinnern, wie ich dich bei Giscan vom Schlachtfeld zerren musste, nachdem alle geflohen waren und die Toten sich bis zum Himmel stapelten.« Die Theke kam wieder zur Ruhe. »Tu nicht so, als machte es dir nichts aus.«
    Das Problem bei alten Freunden ist, dass sie sich an Dinge erinnern, die man selbst lieber vergessen möchte. Natürlich brauchte ich mich diesen Reminiszenzen nicht auszusetzen. Die letzte Aprikose verschwand in meinem Mund. »Ich muss was erledigen. Schmeiß den Rest von diesem Zeug weg und gib dem Jungen was zu essen, wenn er abends kommt.«
    Das abrupte Ende unserer Auseinandersetzung nahm Adolphus den Wind aus den Segeln. Sein Zorn verrauchte, sein Gesicht nahm einen verhärmten Ausdruck an. Als ich die Taverne verließ, wischte er mit ziellosen Bewegungen die Theke ab und versuchte, die Tränen zurückzuhalten.

5
    Mürrisch machte ich mich auf den Weg. Morgens verlasse ich mich immer darauf, dass mich Adolphus ein wenig aufheitert – also fehlte mir jetzt etwas. Nahm man noch das miese Wetter hinzu, so bedauerte ich es allmählich, nicht an meinem ursprünglichen Plan, den Rest des Nachmittags im Bett zu verbringen und Traumranke abzudampfen, festgehalten zu haben. Das Beste, was man bisher über den Tag sagen konnte, war, dass er bereits halb vorüber war.
    Der unerwartete Vorfall am gestrigen Abend hatte mich davon abgebracht, den Reimer aufzusuchen – was ich schnellstens nachholen musste. Er würde mir mein Versäumnis vergeben, wahrscheinlich hatte er auch schon den Grund dafür gehört, trotzdem mussten wir nach wie vor miteinander reden. Zu dieser Tageszeit würde er entweder an den Docks oder im Haus seiner Mutter zu finden sein. Seine Mom neigte dazu, mich mit Frauen aus ihrer Nachbarschaft verkuppeln zu wollen, deshalb beschloss ich für mich, dass er am Kai sei, und humpelte in die entsprechende Richtung. Die Schmerzen in meinem Fußknöchel erwiesen sich als ebenso hartnäckig wie die in meinem Schädel.
    Vermutlich war Yancey der talentierteste Musiker der Unterstadt, außerdem ein verdammt guter Kontaktmann. Kennengelernt hatte ich ihn in meiner Zeit als Ermittlungsbeamter – damals gehörte er einer Gruppe von Eiländern an, die auf Bällen von Hofbeamten und Aristokraten auftrat. Ich hatte ihm einmal aus der Patsche geholfen, und von da an steckte er mir zum Dank

Weitere Kostenlose Bücher