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Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Titel: Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Polansky
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Auffälliges an ihm. Irgendwann hatte er den Ruf erworben, ein harter Mann zu sein, obwohl ich den Verdacht hatte, dass das seiner Deformierung geschuldet war.
    Seine zwei Gefolgsleute sahen brutal und stupide aus –Tancred umgab sich gern mit solchen billigen Schlägertypen. Den ersten kannte ich – Spinne, ein untersetzter Halbeiländer mit einem Matschauge, das er sich eingefangen hatte, als er sich mit einem Trupp der Stadtwache angelegt hatte. Früher war er mit einer kleinen Bande von Flussratten durch die Gegend gezogen, die nachts in Frachtkähne einbrachen und mopsten, was sie finden konnten. Den zweiten hatte ich noch nie gesehen, doch sein pockennarbiges Gesicht und der säuerliche Körpergeruch zeugten ebenso von niederer Herkunft wie seine Umgebung und die Tätigkeit, der er nachging. Ich nahm an, dass beide bewaffnet waren, obwohl man nur Spinnes Waffe sehen konnte, einen gefährlich wirkenden Dolch, der augenfällig aus seinem Gürtel ragte.
    Sie verteilten sich, um mich in die Zange nehmen zu können. »Hallo, Tancred«, sagte ich. »Wie läuft’s denn so?«
    Er grinste mich höhnisch an – vielleicht aber auch nicht, das ließ sich bei seiner Hasenscharte nur schwer feststellen.
    »Wie ich gehört habe, haben deine Leute Probleme mit der Orientierung«, fuhr ich fort.
    Diesmal war ich mir ziemlich sicher, dass er höhnisch grinste. »Probleme, Patron? Wie meinst du das?«
    »Der Kanal ist die Grenze zwischen unseren Revieren, Tancred. Du kennst doch den Kanal? Das ist dieser große, mit Wasser gefüllte Graben östlich von hier.«
    Er grinste, sodass die Spalte in seinem Gesicht noch breiter und das verrottete Zahnfleisch sichtbar wurde. »Das sollte die Grenze sein?«
    »In unserem Geschäft, Tancred, muss man sich an Abmachungen halten. Wenn du damit Probleme hast, solltest du dich vielleicht nach einer Arbeit umsehen, die eher deinen Talenten entspricht. Du würdest zum Beispiel ein hinreißendes Revuegirl abgeben.«
    »Du hast einen losen Mund«, knurrte er.
    »Und du einen schiefen, aber wir sind nun mal so, wie der Schöpfer uns erschaffen hat. Doch ich bin nicht hier, um über theologische Fragen zu debattieren – im Augenblick interessieren einzig und allein geographische. Also warum rufst du mir nicht einfach in Erinnerung, wo unsere Grenze verläuft?«
    Hasenscharte trat einen Schritt zurück, seine Jungs rückten näher. »Hab den Eindruck, dass es an der Zeit ist, die Karte neu zu zeichnen. Ich weiß nicht, was du mit den Syndikaten am Hut hast, und es ist mir egal, wie gut du mit der Stadtwache stehst – jedenfalls fehlen dir die nötigen Leute, um dein Revier zu halten. Soviel ich weiß, bist du ein unabhängiger Unternehmer, und für so was ist heutzutage kein Platz mehr.«
    Er nahm seinen ganzen Mut für die Auseinandersetzung zusammen, die uns bevorstand, doch wegen des Summens in meinen Ohren konnte ich ihn kaum verstehen. Nicht, dass die Einzelheiten seines Monologs irgendeine Rolle gespielt hätten. Ich war nicht zum Diskutieren hergekommen, und er hatte seine Schläger auch nicht mitgebracht, um ihm beim Verhandeln zu helfen.
    Als Tancred irgendein Ultimatum stellte, ließ das Summen endlich nach. Spinne legte die Hand auf seinen Dolch. Der andere Typ grinste breit und schnalzte mit der Zunge. Irgendwie hatten die zwei den Eindruck, dass sie leichtes Spiel mit mir haben würden – ich freute mich darauf, sie eines Besseren zu belehren.
    Ich trank mein Ale aus und ließ den Krug aus der linken Hand fallen. Während Spinne beobachtete, wie er auf dem Boden zersplitterte, rammte ich ihm die Faust ins Gesicht und brach ihm die Nase. Bevor sein Partner eine Waffe ziehen konnte, schlang ich ihm die Arme um die Schultern und katapultierte uns beide durch das offene Fenster.
    Für den Bruchteil einer Sekunde konnte ich lediglich das Rauschen des Windes und das Hämmern meines Herzens hören. Dann schlugen wir auf der Erde auf, und meine hundertachtzig Pfund begruben den anderen unter mir im Dreck. Ein leises Knacken verriet mir, dass ich ihm ein paar Rippen gebrochen hatte. Ich wälzte mich von ihm herunter und rappelte mich auf. Hoch über der dunklen Gasse leuchtete der Mond. Ich atmete tief durch und merkte, wie mir das Blut aus dem Kopf wich. Als der Pockennarbige sich aufzurichten versuchte, trat ich ihm gegen den Kopf. Er stöhnte kurz auf und rührte sich nicht mehr.
    Vage war mir bewusst, dass mein Fußknöchel bei dem Sturz etwas abbekommen hatte, doch ich war noch zu

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