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Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Titel: Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Polansky
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mit der Hand besorgen. Als ich aufzustehen versuchte, verschwamm mir alles vor den Augen, und mein Magen rebellierte von Neuem. Schnell setzte ich mich wieder. Bei Prachetas’ Möse, ich sollte wirklich die Finger vom Koboldatem lassen.
    Das durch mein Fenster fallende Sonnenlicht ließ darauf schließen, dass es bereits nach zwölf war. Ich war immer der Ansicht, dass man, wenn man den Vormittag verpasst hat, den Nachmittag ebenso gut sausen lassen kann. Doch es gab einiges zu erledigen. Ich riss mich zusammen, zog mich an und ging nach unten.
    Ich nahm an der Theke Platz. Adolphus hatte vergessen, sein Auge abzudecken, und aus der leeren Höhle in seinem Schädel strömte mir Missbilligung entgegen. »Für Eier ist es zu spät. Brauchst gar nicht erst zu fragen.« Ich hatte mir zwar schon gedacht, dass es um ein Uhr wahrscheinlich kein Frühstück mehr geben würde, war aber nicht glücklich darüber, meinen Verdacht bestätigt zu finden. »Der Junge von gestern Abend wartet schon seit drei Stunden darauf, dass du endlich aufwachst.«
    »Gibt es wenigstens Kaffee? Und wo ist denn mein Schatten?«
    »Es gibt keinen mehr, und dein Schatten ist da drüben.«
    Als ich mich umdrehte, sah ich, wie sich der Junge vom vorhergehenden Abend von der Wand löste. Offenbar besaß er das merkwürdige Talent, unbemerkt bleiben zu können. Vielleicht war mein Kater aber auch schlimmer, als ich angenommen hatte. Schweigend blickten wir einander an. Aus natürlicher Zurückhaltung vermied er es, das Gespräch zu eröffnen. » Ich habe nicht den halben Vormittag vor deiner Tür herumgelungert«, sagte ich schließlich. »Also was willst du?«
    »Einen Job.«
    Zumindest war er direkt und gab präzise Antworten. Das war immerhin etwas. In meinem Kopf hämmerte es wie wild, und ich überlegte, wo ich ein Frühstück herbekommen konnte. »Und welche Verwendung sollte ich für dich haben?«
    »Ich könnte Sachen für dich erledigen. Wie gestern Abend.«
    »Was glaubst du denn, wie oft ich über die Leichen vermisster Kinder stolpere? Das gestern Abend war eine Ausnahme. Ich glaube nicht, dass ich mir einen Assistenten leisten kann, der bloß dazu da ist, darauf zu warten, dass so was wieder passiert.« Dieser Einwand schien ihn jedoch in keiner Weise zu beeindrucken. »Wofür hältst du mich eigentlich?«
    Er grinste verschlagen, als hätte er etwas Unrechtes getan, das er mir gern mitteilen wollte. »Du bist der Herr der Unterstadt.«
    Was eine entzückende Aufgabe war. »Das würde die Stadtwache wahrscheinlich bestreiten.«
    Er stieß ein ungläubiges Schnauben aus.
    »Ich habe eine lange Nacht hinter mir. Für diesen Unsinn bin ich nicht in Stimmung. Verschwinde!«
    »Ich kann Besorgungen machen, Nachrichten überbringen, was immer ansteht. Ich kenne die Straßen wie meine Hosentasche, ich kann gut raufen, und niemand bemerkt mich, wenn ich es nicht will.«
    »Hör mal, mein Junge, ich habe ein Ein-Mann-Unternehmen. Und wenn ich mir einen Assistenten anlachen sollte, müsste es einer sein, der mehr im Sack hat als du.«
    Diese Beleidigung nahm er ungerührt hin. Zweifellos hatte er schon Schlimmeres gehört. »Ich habe gestern Wort gehalten, oder?«
    »Gestern bist du von Punkt A nach Punkt B gegangen und hast mich nicht beschissen. Zu so was könnte ich auch einen Hund abrichten. Den bräuchte ich noch nicht mal zu bezahlen.«
    »Dann gib mir was anderes zu tun.«
    »Eine Tracht Prügel werd ich dir geben, wenn du nicht abschwirrst«, erwiderte ich und hob auf eine Weise, die drohend wirken sollte, die Hand.
    Nach der ausbleibenden Reaktion zu urteilen ließ ihn auch das völlig unbeeindruckt.
    »Beim Verlorenen, du bist ein lästiger kleiner Dreckskerl!« Der Gang die Treppe hinunter hatte die Schmerzen in meinem Fußknöchel noch schlimmer werden lassen, und dieses ganze Gespräch ging mir allmählich auf den Magen. Ich kramte in meiner Tasche und holte einen Silberling heraus. »Renn rüber zum Markt und besorg mir zwei Blutorangen, eine Schale Aprikosen, ein Schnurknäuel, einen Geldbeutel und ein Gartenmesser. Und wenn ich die Hälfte des Silberlings nicht zurückbekomme, weiß ich, dass du entweder ein Betrüger oder zu dumm bist, einen guten Preis auszuhandeln.«
    Er eilte so schnell davon, dass ich mich fragte, ob er sich auch alles eingeprägt hatte. Irgendwas an dem Jungen ließ mich zögern, daran zu zweifeln. Ich drehte mich zur Theke zurück, um aufs Frühstück zu warten, sah mich jedoch mit Adolphus’ finsterer Miene

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