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Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Titel: Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Polansky
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Duellplatzes und winkte die beiden Sekundanten zu sich.
    »Ich vertrete Mr.   Wilkes«, sagte der fette Mann mit halbwegs fester Stimme.
    Der Sekundant der Lächelnden Klinge benahm sich gar nicht so übel. Soviel ich weiß, schreibt der code duello zwar nicht vor, dass Sekundanten ondulierte Haare haben müssen, aber zumindest kam er nicht angetänzelt, sondern ging ganz normal. »Ich vertrete Herzog Roja Calabbra den Dritten, Lord Beaconfield.«
    Wilkes’ Sekundant, der trotz der Kälte stark schwitzte, ergriff von Neuem das Wort. »Wäre es nicht möglich, dass die beiden Herren sich doch noch gütlich einigen? Mr.   Wilkes ist bereit zuzugeben, dass seine Informationen aus zweiter Hand stammten und von einer genauen Wiedergabe des Gesprächs keine Rede sein kann.«
    Ich verstand zwar nicht ganz, worauf sich das bezog, hatte aber den Eindruck, als wäre es ein Schritt in Richtung Aussöhnung.
    »Meine Partei besteht auf einer umfassenden Zurücknahme aller Äußerungen«, entgegnete Beaconfields Sekundant in hochmütigem Ton, »und einer Entschuldigung in öffentlicher Form.«
    Offenbar sollte es doch nicht zu einer Aussöhnung kommen.
    Der fette Mann warf Wilkes einen flehenden Blick zu. Dieser schüttelte nur ganz kurz den Kopf. Sein Sekundant schloss die Augen und schluckte schwer. »Dann muss alles seinen Gang gehen«, sagte er.
    Der Kampfrichter ergriff das Wort. »Darf ich die Herren bitten, mit gezogenen, aber gesenkten Waffen zu mir zu kommen. Das Duell wird fortgeführt, bis einer der Kombattanten kampfunfähig ist oder das erste Blut fließt.«
    Der Herzog drängte sich durch die Menge seiner bunt gekleideten Anhänger und begab sich auf den Kampfplatz. Wilkes erhob sich von der Bank und ging ihm entgegen. Ein paar Meter voneinander entfernt machten sie halt. Beaconfield grinste, wie es seine Art war. Wilkes’ Gesicht blieb völlig ausdruckslos. Wider besseres Wissen stellte ich fest, dass ich ihm die Daumen drückte.
    »Auf mein Signal«, verkündete der Kampfrichter und verließ die Grünfläche. Wilkes hob seine Klinge, um bereit zu sein. Beaconfield hielt seine Waffe lässig gesenkt.
    »Man beginne.«
    Ich habe früh gelernt, dass Sie-die-am-Ende-aller-Dinge-steht wahllos zuschlägt. Als die Seuche ausbrach, wurden unterschiedslos Junge wie Alte dahingerafft. Der Krieg bestätigte diese Erfahrung, gab er mir doch jahrelang Gelegenheit zuzusehen, wie Soldaten auf beiden Seiten im Artilleriefeuer zugrunde gingen, was auch meine letzten Illusionen über die Unverletzlichkeit des Menschen ausräumte. Niemand ist unsterblich. Niemand ist so gut, dass er davor geschützt wäre, einem blutigen Anfänger zu unterliegen, falls das Licht ungünstig fällt oder sich der Fuß in einem Loch im Boden verfängt. Ein paar Hundert Pfund Fleisch, ein Knochengerüst, das bei Weitem nicht so robust ist, wie es den Anschein hat – wir wurden nicht für die Ewigkeit geschaffen.
    Ungeachtet dessen muss ich sagen, dass ich noch nie jemanden wie Beaconfield erlebt habe. Weder vorher noch hinterher. Er war schneller, als ich es für menschenmöglich gehalten hätte, so schnell wie ein Blitz, der über den Himmel zuckt. Er kämpfte mit einer schweren Klinge, einem Mittelding aus Rapier und Langschwert, handhabte sie jedoch wie ein Rasiermesser. Seine Technik und Gelassenheit waren erstaunlich. Keine Bewegung schien umsonst, kein Quäntchen Energie wurde unnötig verschwendet.
    Wilkes war gut, sehr gut sogar, und beherrschte mehr als nur den archaischen, formalisierten Kampfstil des Duells. Er hatte gewiss schon Männer getötet, vielleicht im Krieg, vielleicht bei einem dieser kleinen Treffen, die die Reichen veranstalten, statt einer ehrlichen Arbeit nachzugehen. Jedenfalls war es nichts Neues für ihn, Blut zu vergießen. Ich überlegte, ob ich mit ihm fertig werden würde, was ich nicht für ausgeschlossen hielt, falls ich ein bisschen Glück hatte oder mein Kampfstil ihn überraschte.
    Trotzdem stellte ihn der Herzog vollkommen in den Schatten, und zwar auf geradezu peinliche Weise. Während ich beobachtete, wie die Lächelnde Klinge mit ihm spielte, fragte ich mich, was – im Namen von Maletus – diesen armen Kerl wohl veranlasst haben mochte, sich auf ein Duell mit Beaconfield einzulassen, welcher absurde Ehrenhandel eine derart törichte Geste erforderlich gemacht hatte.
    Mitten im Gefecht wandte der Herzog den Kopf und sah mich unverwandt an, ein Verhalten, das jeden anderen das Leben gekostet hätte. Wilkes

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