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Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Titel: Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Polansky
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unterdrücken. »Was soll ich stehlen?«
    »In den Boden seines Schreibtischs ist ein Geheimfach eingelassen. Ich würde mir gern ansehen, was Sie dort finden.« Ich merkte, dass sein Interesse nachließ, und warf ihm einen Köder hin. »Das Geheimfach ist vermutlich irgendwie gesichert. Außerdem wird das Schloss natürlich von bester Qualität sein.«
    »Woher wissen Sie, dass es da etwas zu finden gibt?«
    »Ich habe so meine Quellen.«
    »Jemand im Haus, wie? Warum kann der das nicht machen?«
    »Weil ich dann nicht das Vergnügen gehabt hätte, mich mit Ihnen zu treffen.«
    »Wenn der Schreibtisch tatsächlich abgeschlossen ist, werde ich es nicht vermeiden können, Spuren zu hinterlassen. Der Herzog wird also sehen, dass jemand in seinen Sachen herumgewühlt hat, und schnell feststellen, was fehlt.«
    »Bestens. Genau das möchte ich.«
    »Ach, so sieht das aus, ja?« Er knabberte an seinem Daumen herum. »Auf so was stehe ich eigentlich nicht.«
    »Es wäre eine Gefälligkeit. Wenn Sie sich umhören, werden Sie feststellen, dass es sich lohnt, mir Gefälligkeiten zu erweisen.«
    »Hört sich gut an.« Er biss ein Stück Hornhaut von seinem Daumen ab und spuckte es auf die Erde. »Warum während der Party?«
    »Weil es bald geschehen muss und die Party die beste Gelegenheit ist.«
    »Da werden eine Menge Leute sein. Ich könnte ein Ablenkungsmanöver brauchen.«
    »Und wie es sich trifft, habe ich schon eins arrangiert«, erwiderte ich.
    Während ich erklärte, was ich für die Mittwintersoirée des Herzogs geplant hatte, breitete sich ein Grinsen auf Kendricks Gesicht aus. Als ich fertig war, gab er die Antwort, die ich erwartet hatte.
    »Klingt vergnüglich.«
    »Was verlangen Sie als Honorar?«, hakte ich nach.
    Er war zu sehr Künstler, um gern über Geld zu sprechen. »Normalerweise verlange ich einen Anteil vom Gewinn, aber ich nehme an, hier geht es nicht darum, was zu verkaufen.« Nachdenklich kratzte er sich am Kinn. »Zwanzig Ockerlinge?«
    Absurd wenig für diesen Job, aber das behielt ich für mich. »Eins sollte ich Ihnen noch sagen«, fuhr ich fort. »Der Mann, den Sie bestehlen, die Dinge, die Sie stehlen … falls Sie erwischt werden, dürften die Bullen die geringste Ihrer Sorgen sein.«
    »Gut, dass ich nie erwischt werde.«
    »In der Tat«, erwiderte ich. Ich konnte nur hoffen, dass sein Geschick ebenso groß war wie seine Zuversicht.
    Er streckte die Hand aus und erhob sich. »Ich muss jetzt ins Hospital. In zwanzig Minuten fängt meine Schicht an. Aber heute Abend werde ich das Haus mal in Augenschein nehmen. Übermorgen hören Sie dann von mir.«
    »Geben Sie Bescheid, falls Sie etwas brauchen.«
    »Wird nicht der Fall sein.« Er zog seinen Mantel an. »Wer ist dieser Junge, mit dem Sie hier sind?«
    Bei Kors Blasebalg, er war ein verdammt guter Beobachter. Mir war überhaupt nicht bewusst, dass ich mir etwas hatte anmerken lassen. »Er ist so was wie mein Schützling. Ich dachte, wenn ich ihn mitbringe, können Sie ihm vielleicht ein paar berufliche Ratschläge geben.«
    »Welchen meiner Berufe meinen Sie?«
    »Welchen ziehen Sie denn vor?«
    »Das Diebshandwerk«, antwortete er voller Überzeugung.
    »Vielleicht sollten wir dann lieber auf ein Motivationsgespräch verzichten.«
    Er lachte und stolzierte davon.
    Gleich darauf kam Zeisig zu mir. »Ist das alles für heute Nachmittag? Das Wetter wird immer schlimmer.«
    »Nicht ganz. Ich muss jemanden aufsuchen, und du musst noch eine Nachricht überbringen. Geh zum Haus des Herzogs und sag dem Wächter am Vordereingang, dass ich morgen zu der Party komme.«
    »Ich wusste gar nicht, dass du eingeladen bist.«
    »Das weiß Lord Beaconfield auch nicht.«
    Zeisig wartete auf einen zusätzlichen Kommentar. Als der ausblieb, ging er. Ein oder zwei Minuten später folgte ich seinem Beispiel.

38
    Auf dem Weg zur Tolk Street bemerkte ich, dass Crowleys narbiger Mirader sich mir an die Fersen geheftet hatte. Für diesen Unsinn hatte ich keine Zeit. Ich musste Cadamost aufsuchen, musste hören, was er mir über Brightfellow erzählen konnte – aber andererseits bildete ich mir natürlich nicht ein, dass Crowley Verständnis für meine Situation haben würde. Die Beschatter abzuhängen war auch keine Lösung, da mein Ex-Kollege ein hartnäckiges Arschloch war und die Lage der Dinge eine endgültige Klärung erforderlich machte.
    Deshalb entschloss ich mich zu etwas, mit dem ich liebäugelte, seit ich vor zwei Tagen das Bad im Kanal genommen hatte.

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