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Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Titel: Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Polansky
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Eindruck, wenn man – wie Crowley – nicht genau hinsah. »Ich dachte schon, du hättest uns abgehängt«, sagte er.
    »Bin nur was trinken gegangen.« Ich schob den Stuhl mit dem Fuß zu ihm hin. »Setz dich erst mal. Hast ja einen ziemlich langen Spaziergang hinter dir.«
    »Na, jedenfalls haben wir dich erwischt«, erwiderte er, indem er sich mit all seiner Masse auf den wackligen Holzstuhl sinken ließ.
    »Da ich heute bewaffnet bin, dürfte der Kampf nicht ganz so ungleich ausfallen wie beim letzten Mal.«
    »Würdest du dir irgendwelche Chancen ausrechnen, wärst du nicht davongelaufen.«
    »Du hattest schon immer ein Problem damit, das Konzept eines taktischen Rückzugs zu begreifen.«
    »Tja, ich bin eben ein Oger, und du bist ein Genie – aber wozu wird all deine Cleverness führen? Dass du in einer Winternacht tot in einem Graben liegst.« Er lehnte sich auf dem Stuhl zurück. »Kommt mir nicht sonderlich gerissen vor.«
    »Nicht, wenn du es so formulierst.«
    »Wenn du wirklich clever wärst, wärst du nicht hier. Wenn du clever wärst, wärst du inzwischen Leiter der Spezialabteilung. Deshalb hasst der Alte dich auch so sehr, weißt du – weil du ihn enttäuscht hast.«
    »Stimme jeden Tag ein Klagelied an, weil ich seinen Erwartungen nicht gerecht geworden bin.«
    »Ich will dir mal was sagen – er war richtig geschockt, als du damals die … diese Sache gemacht hast. Das war das einzige Mal, dass ich erlebt habe, wie der Schuft vor Wut kochte.« Er setzte sein hässliches Grinsen auf, das er sich schon als Kind angeeignet haben musste, als er zum ersten Mal einer Fliege die Flügel ausrupfte, und das er seitdem im Zuge täglicher Gewalttaten vervollkommnet hatte. »Wie hieß sie noch mal?«
    »Albertine.«
    »Richtig. Albertine«, sagte er. »Darf ich dich mal fragen, ob sie es wert war? Denn meiner Meinung nach ist eine Möse so gut wie die andere.«
    Ich ließ diese Bemerkung langsam in mich einsickern und merkte sie mir gut, um sie ihm später heimzuzahlen.
    Der Servierjunge kam, um eine Bestellung aufzunehmen, doch Crowley scheuchte ihn weg. »Warum zum Teufel hast du dich grade hier versteckt? Bei diesen Scheißkirenern.« Angewidert blickte er sich um. »Wie Insekten sind die.«
    »Ameisen«, stellte ich richtig. »Die sind wie Ameisen.«
    Er zeigte mit einem seiner Wurstfinger auf mich. »Jeder von diesen kriecherischen Mistkerlen, die sich ständig verbeugen, würde einem den Fuß auf den Nacken setzen, sobald er die Gelegenheit dazu hat.«
    »Mal spielen sie den Tyrannen, mal ducken sie sich wie Sklaven.«
    »Genau! Die sind nicht wie wir. Haben keinen Stolz, das ist das Problem.«
    »Ganz recht«, stimmte ich ihm zu. Ling Chis Männer am Nebentisch wurden allmählich unruhig, da sie von Crowleys Beleidigungen genug verstanden hatten.
    »Und dann diese Affensprache!« Crowley klatschte sich aufs Knie. »Sprecht gefälligst Rigunisch, ihr schlitzäugigen Dreckskerle.«
    »So schwer ist ihre Sprache gar nicht, wenn man erst mal den Bogen raushat – wir können ja mal ein bisschen üben.« Ich trank mein kisvas aus. »Shou zhe cao ni ma« , sagte ich.
    »Zou ze ca nee maa« , wiederholte er und kicherte über seine unbeholfene Aussprache. »Was heißt das?«
    Der tätowierte Kirener sagte etwas in seiner Muttersprache. Ich nickte ihm zu. »Das heißt: Macht dieses Arschloch fertig .«
    Crowley war wirklich so beschränkt, dass er drei oder vier Sekunden brauchte, um zu begreifen, was vor sich ging. Als es endlich bei ihm dämmerte, versuchte er aufzustehen, doch ich rammte ihm meine Faust ins Gesicht, sodass er zurücktaumelte.
    Dann brach in der Kneipe die Hölle los. Zuerst stürzten sich Ling Chis Männer auf Crowley, doch es dauerte nicht lange, bis die anderen Gäste ebenfalls aktiv wurden, um den arroganten Rundaugen eine finale Abreibung zu verpassen. Crowleys Jungs wurden schnellstens erledigt. Der Barkeeper, den ich bisher eher für ein Gewächs als für ein Lebewesen gehalten hatte, holte ein Beil unter der Theke hervor und schlug einem muskulösen Valaaner den Kopf ab – mit einer Gelassenheit, die darauf schließen ließ, dass er nicht zum ersten Mal einen Gast enthauptete. Der narbige Mirader schaffte es noch, sein Messer zu ziehen, bevor er schreiend in der Menge unterging, die mit allen erdenklichen Waffen wütend auf ihn einschlug.
    Da beschloss ich, dass es besser war, wenn ich mich in den hinteren Teil des Raums zurückzog – ich war nämlich nicht erpicht darauf, dass

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