Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)
Schlechtigkeit und Blindheit einen Kreuzzug gegen mich und meinen Bruder unternehmen.«
Seine Augen wurden eiskalt. Ich befürchtete schon, dass es ein Fehler gewesen war, hierherzukommen. »So groß meine Liebe für meinen Verbündeten auch ist – gegen die Vertreter des Throns kann ich nichts unternehmen.«
»Die Männer, die mich verfolgen, haben keinen offiziellen Auftrag vom Schwarzen Haus. Und bis auf einen stehen sie auch nicht im Dienst des Schwarzen Hauses.«
»Bis auf einen?«
»Der Stellvertreter des Leiters, ein Mann, dessen Untaten mannigfach sind und außer Frage stehen. Vielleicht kennst du ihn. Er heißt Crowley.«
Ein hasserfüllter Ausdruck huschte über sein Gesicht. »Unsere Wege haben sich schon gekreuzt.«
Darauf hatte ich gehofft. Crowley hatte ein ausgesprochenes Talent dafür, sich Feinde zu machen. »Wie ich zur Beschämung meiner Ahnen sagen muss, hatten dieser Ermittlungsbeamte und ich einst Umgang miteinander. Ohne von unseren brüderlichern Banden zu wissen, versuchte Crowley, mich dazu zu benutzen, dem Haus von Ling Chi Schaden zuzufügen. Um sein Vertrauen zu gewinnen und von seinen Plänen zu erfahren, gab ich kurz – ganz kurz – vor, diesem doppelzüngigen Beamten zu helfen. Doch ein rechtschaffener Mann vermag die Maske des Verrats nur schlecht zu tragen, und mein Betrug wurde entdeckt.«
Ling Chi ließ seine jadegrünen Fingernägel rhythmisch aneinanderklicken, während er versuchte, aus dem Unsinn, den ich ihm erzählt hatte, ein Körnchen Wahrheit herauszufiltern. Crowley war schon seit Langem durch und durch korrupt – mir fielen auf Anhieb ein Dutzend krimineller Unternehmungen ein, von denen er profitiert hatte, und das war höchstwahrscheinlich nur die Spitze des Eisbergs. Der Alte wusste zum Teil darüber Bescheid, doch er war nicht der Mann, der ein nützliches Werkzeug beiseitewarf, bloß weil der Betreffende gelegentlich etwas Illegales tat.
Vor allem aber stimmte dies sehr gut mit Ling Chis umfassender Paranoia überein, einer berechtigten Manie, die auf einem Leben voller Betrug und Verrat fußte. Er konnte sich durchaus vorstellen, dass ich ihn an Crowley verraten würde, nur um dann die Seite zu wechseln, sobald die Sache zu heiß wurde. Er würde es nicht anders machen, denn ein solches Verhalten war gang und gäbe bei ihm.
»Die Katze weiß nicht, was ihre Pfote tut?«, fragte er.
»Wer vermag zu sagen, welche Geheimnisse der Herr des Schwarzen Hauses kennt? Kann sein, dass er von den Umtrieben seines Stellvertreters weiß – zumindest hat er sie nicht angeordnet.«
Das Klicken seiner Fingernägel verlangsamte sich und hörte schließlich ganz auf. »So teuer war also meinem Bruder mein Wohlbefinden, dass er seine Sicherheit und seinen Ruf aufs Spiel gesetzt hat, um eine Verschwörung gegen mich zu vereiteln. Wie könnte ich, Ling Chi, da weniger für ihn tun?« Sein Lächeln war so unangenehm, dass ich froh war, nicht das Ziel seines Zorns zu sein. »Harmonie ist das höchste aller Güter – doch sollte mein Verbündeter feststellen, dass die Männer, die unsere Vernichtung planen, versöhnlichen Worten gegenüber taub sind, dann möge er beruhigt sein, denn meine bescheidenen Kräfte stehen ihm zur Verfügung.«
Ich verbeugte mich tief, fast bis zum Boden, und ging. Nachdem ich meine Waffen wieder an mich genommen hatte, trat ich in die Kneipe und setzte mich an einen leeren Tisch in der Ecke. Aus dem Hinterzimmer folgten mir vier Kirener, harte Typen, die sich von den Gästen unterschieden wie Wölfe von Hunden. Die Arbeiter am Nebentisch räumten kommentarlos die Plätze, damit sich die anderen hinsetzen konnten. Einer der vier, ein untersetzter Mann mit einer kunstvollen Drachentätowierung im Gesicht, blickte zu mir herüber und nickte mir zu. Ich nickte zurück. Dann winkte ich einen Servierjungen heran und bestellte mir kisvas .
Ein paar Minuten später öffnete sich die Eingangstür, und Crowley kam herein, gefolgt von den drei Leuten, die ich schon von unserer ersten Begegnung kannte. Schweigen senkte sich auf den Raum herab. Mit unverhohlener Verachtung ließ Crowley den Blick über die zahlreichen Häretiker schweifen. Als er mich sah, flüsterte er seinen Männern etwas zu, die daraufhin zur Theke abschwenkten, während Crowley auf mich zugewatschelt kam.
Er blieb hinter dem Stuhl mir gegenüber stehen und musterte mich hämisch. Die Atmosphäre in der Taverne wirkte inzwischen wieder halbwegs normal. Zumindest bekam man diesen
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