Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)
jeden mit funkelnden Farben übergoss.
Falls Beaconfield pleite war, merkte man hier jedenfalls nichts davon.
Die Ausstattung des Saals entsprach der prächtigen Aufmachung der Gäste, die allesamt in festlicher, heiterer Stimmung waren. Neben mir stand ein fetter Adliger mit unreiner Haut, der einen Umhang aus Pfauenfedern trug und mit ausladenden Gesten auf einen anämischen Jüngling einredete, der in hautengen, mit Goldfäden durchwirkten Hosen steckte. Links von mir nahm ich eine Frau mittleren Alters wahr, die recht ansehnlich gewesen wäre, wenn sie nicht so verzweifelt auf jugendlich gemacht hätte. Sie trug eine Halskette mit einem Smaragd von der Größe einer Babyfaust.
Eine atemberaubend schöne Kellnerin kam vorbei, die ein silbriges Kleid trug, das mehr ent- als verhüllte. Auf ihrem Tablett standen Flöten mit Champagner sowie die Fläschchen mit Koboldatem, die ich Beaconfield am Tag des Duells verkauft hatte. Sie offerierte diese Dinge mit einem Blick, der ausdrückte, dass noch eine dritte Köstlichkeit im Angebot war. Ich nahm mir lediglich ein Glas Prickelwasser. Das hübsche Luder setzte seine Runde fort. Wie nicht anders zu erwarten, war der Champagner sehr gut.
Die Frau mit Halskette pirschte sich an mich heran und inspizierte mich mit der Unverfrorenheit einer läufigen Hündin – offenbar hatte sie bei Männern genauso wenig Geschmack wie bei Schmuck. Aus der Nähe sah sie wie jemand aus, den man lieber aus der Ferne betrachtete. »Ich glaube, wir hatten noch nicht das Vergnügen«, sagte sie.
»Bist du verrückt geworden? Wir sind uns doch letztes Jahr bei Lord Addingtons Frühlingsfest begegnet! Dort sind wir hinter seine Pagode gegangen, wo ich dich von hinten genommen hab. Du hast gesagt, so gut hat’s dir noch niemand besorgt!«
Ihr wich die Farbe aus dem Gesicht – offenbar hielt sie mein Szenario nicht für gänzlich ausgeschlossen. Sie stammelte eine Entschuldigung und eilte davon. Ich schnappte mir ein weiteres Glas Prickelwasser, als die Kellnerin wieder vorbeikam.
Beaconfield stand in der Nähe der Sakra-Statue, wie es seiner Rolle als Gastgeber und seiner Selbstgefälligkeit entsprach. Er winkte mich zu sich, als hätte er mich gerade erst bemerkt. In Wirklichkeit beobachtete er mich, seit ich hereingekommen war.
Aus der Nähe war das Licht der Statue so grell, dass das leuchtende Orangegelb alle Details und Nuancen verwischte. Der Herzog hatte den Arm um eine hinreißend aussehende Miraderin geschlungen und lächelte mich an, als stünden wir auf bestem Fuße miteinander. Dass ich seine Handlanger abgemurkst hatte, stand dem Aufblühen unserer Freundschaft in keiner Weise im Wege.
»Liebling, das ist der Mann, von dem ich dir erzählt habe.« Er machte keinerlei Anstalten, uns einander vorzustellen.
»Bin entzückt«, erwiderte ich, ohne den Blick von Beaconfield zu wenden. »Eine beeindruckende Party. Muss Sie ein oder zwei Kupferlinge gekostet haben.«
Beaconfield beugte sich zu mir, wobei der Champagner über den Rand seines Glases floss. »Was ist schon Geld?«
»Nichts, wenn man es hat. Wenn man pleite ist, sieht man das sicher anders.«
Er trank sein Glas aus. »Ich muss zugeben, es hat mich überrascht zu hören, dass Sie sich zu uns gesellen würden. Ich hätte nicht gedacht, dass Sie für solche Narreteien etwas übrighaben.« Seine Hand strich über den Nacken der jungen Frau, die sich gefügig an ihn schmiegte.
»Ich konnte den Abend doch nicht verstreichen lassen, ohne Ihnen Festtagswünsche zu entbieten.«
»Ich liebe das Mittwinterfest, das Wiedergeburt und Erneuerung verheißt. Das vergangene Jahr ist vergessen, das neue liegt noch vor uns.«
»Wenn Sie das so sehen wollen …«
»Wie sehen Sie es denn?«
»Als Ablenkung von der Kälte«, sagte ich.
Die Gesichtszüge des Herzogs verhärteten sich. »Die Kälte hat dieses Jahr früh eingesetzt.«
»So ist es.«
»Haben Sie gute Vorsätze für das neue Jahr?«, brach die Frau neben Beaconfield das Schweigen.
»Ich habe mir vorgenommen, das nächste Mittwinterfest zu erleben«, erwiderte ich.
»Das hört sich nicht zu anspruchsvoll an.«
»Manche von uns werden Probleme damit haben.«
Als sich ein anderer Gast näherte, nutzte ich die Gelegenheit, mich zu verabschieden. »Es liegt mir fern, die Aufmerksamkeit meines Gastgebers allein für mich zu beanspruchen«, sagte ich. »Und außerdem muss ich die Toilette aufsuchen.« Ich verbeugte mich vor Beaconfield und seinem Flittchen und
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