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Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition)

Titel: Der Herr der Unterstadt: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Polansky
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weil er so spät mit dem Studium angefangen hatte – aber er war clever, cleverer, als man annahm, cleverer, als er sich anmerken ließ.«
    »Und er gehörte ebenfalls zur Operation Vorstoß.«
    »Ja. Das traf für die meisten von uns zu, für jeden, der über entsprechende Fähigkeiten verfügte und in der Lage war zu erkennen, wozu das führen würde und was es verhieß – einen Blick in die tiefsten Tiefen, auf das Nichts, das in allem schlummert. Es ging überhaupt nicht um den Krieg, obwohl wir das den Verantwortlichen einredeten – diese Wesen waren Götter, die uns betrachten, mit uns sprechen, uns berühren, uns lieben wollten.«
    »Was ist mit ihr geschehen?«, fragte ich, obwohl ich die Antwort bereits kannte.
    »Meine Kollegen waren Feiglinge, die nichts verstanden, nicht verstehen wollten. Ich wusste, was sie wollte, wusste, was sie wollte, und wollte es ihr geben. Aus dem Grund hatten die anderen Angst vor mir, deshalb haben sie sie mir weggenommen.« Er strich sich über das Handgelenk und starrte ins Leere, als hoffte er, irgendwo das Objekt seiner Besessenheit zu entdecken. »Ich spüre, dass sie da draußen ist. Die anderen haben sie und halten sie von mir fern!«, stieß er hervor, wobei etwas aus seinem Mund spritzte, das sehr nach Blut aussah.
    »Und die anderen Magier? Haben sie ihre Liebeszeichen noch?«
    »Ich wurde wegen meiner Genialität ausgeschlossen. Die anderen durften ihre Zeichen behalten, vermute ich. Zumindest hatten sie sie noch, als ich meines Amts enthoben wurde.« Seine Augen verengten sich zu Schlitzen. »Warum wollen Sie das eigentlich alles wissen? Worum geht es überhaupt?«
    »Danke für Ihre Hilfe«, sagte ich und legte noch einen Silberling auf den Tisch.
    Der Anblick der Münze reichte aus, um ihn seine Frage vergessen zu lassen. »Feiner Zug von Ihnen, einem Kriegskameraden zu helfen. Für Sie ist schon ein Plätzchen in Chinvat bereit, ohne Zweifel!« Er lachte und griff nach der Pfeife.
    »Übertreiben Sie’s nicht«, empfahl ich ihm, während ich meinen Mantel zuknöpfte. »Mir wär es lieber, wenn meine Münze nicht die wär, mit der Sie sich den Rest geben.« Auf dem Weg nach draußen wurde mir jedoch klar, dass mir völlig egal war, was mit ihm passierte.

40
    Ich holte Zeisig ab und verbrachte den Rest des Vormittags bei einem Schneider, dessen Stammkunde ich früher gewesen war und der mir ein Outfit für Beaconfields Party machen sollte. Nach wie vor schneite es ununterbrochen. Ich hatte dreißig meiner fünfunddreißig Jahre in Rigus gelebt und es nur verlassen, um Krieg gegen die Dren zu führen, aber so etwas wie diesen Schneefall hatte ich in all der Zeit nie erlebt. Die Straßen waren menschenleer, der Lärm der Stadt einer fast pastoralen Stille gewichen, die Mittwinter-Festlichkeiten hatte man abgesagt.
    Als wir endlich zum Turm kamen, wünschte ich, ich hätte eine Kutsche gemietet. Immerhin hatten die rauen Wetterbedingungen die erste Hürde beseitigt, die den Zutritt zum Magierhorst erschwerte, denn der Schnee hatte den Irrgarten unter sich begraben und sich zu einem niedrigen Hügel aufgetürmt. Zeisig blieb am Fuß des Hanges stehen. »Ich wusste nicht, dass wir zum Turm wollen«, sagte er.
    »Es wird nur eine Minute dauern. Ich möchte kurz zu Celia, um ihr von den jüngsten Entwicklungen zu berichten.«
    »Grüß Blaureiher, falls du ihn siehst.«
    »Du kommst nicht mit?«
    »Ich warte hier.«
    Hagelkörner prasselten auf uns nieder. Ich legte dem Jungen die Hand auf die Schulter. »Vergiss die Sache mit dem Horn. Die hab ich schon in Ordnung gebracht.«
    Er schüttelte meine Hand ab. »Ich warte hier.«
    »Willst du erfrieren, bloß weil du zu stolz bist? Schluck deinen Stolz runter und komm mit.«
    »Nein«, erwiderte er.
    Damit war meine Bereitschaft, mit ihm zu diskutieren, erschöpft. »Erwarte kein Mitgefühl von mir, wenn dir ein Finger abfriert.« Der Wächter des Magierhorsts ließ uns ohne jeden Kommentar ein. Seit dem Ausbruch von Blaureihers Krankheit hatte er nichts mehr gesagt. Ein wenig wehmütig dachte ich an seine spitzen Bemerkungen zurück.
    Celia wartete im obersten Stockwerk auf mich. Sie saß am Kamin und trank Tee. »Ich hatte gar nicht damit gerechnet, dich heute zu sehen.«
    »Wollte euch zwei nur mal kurz besuchen. Wie geht’s dem Meister?«
    »Besser. Heute Morgen war er eine Weile auf. Er hat gefrühstückt und zugesehen, wie es schneit.«
    »Das freut mich zu hören«, erwiderte ich. »Ich wollte dir sagen, dass

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