Der Herr der zerstörten Seelen
an?« schnappte Köschner. »Im Gegensatz zu denen verhielt sich die GW diskret, baute im Geheimen ihre Macht aus und war von Anfang an erfolgreich. Doch das ist nicht allein die Erklärung dafür, daß Leute wie Sie und ich auf irgendeiner schönen Fördererliste herumspuken … Auch nicht dafür, daß die GW jederzeit in der Lage ist, nicht nur gigantische Millionensummen, sondern auch jede Menge Leute und Kontakte zu bewegen.«
»So? Und was dann?«
»Sie wissen es. Sie wissen es ganz genau, Ernst.«
Wieso eigentlich redet er mich mit dem Vornamen an, fragte sich Schmidt-Weimar. Hatte er Köschner jemals Rudi genannt? Sein überlegenes Lächeln war verschwunden. Es wurde ihm unbehaglich. Was steckte hinter alldem?
»Es ist die Genialität, mit der hier ein Konzept entworfen und durchgezogen worden ist.« Diesmal mußte Köschner sich hochstemmen, und es schien ihm Mühe zu machen, denn er keuchte. Dann marschierte er zum Fenster und hielt jetzt seinen Monolog mit dem Rücken zu Schmidt-Weimar. »Keine selbsternannten Wunderprediger, keine kindischen Bibelausleger waren da an der Arbeit, nein, effiziente und fanatische Arbeiter, talentierte und begeisterte Leute. Und wenn sie Naturschutz, soziale Dienste, Erziehung, praktische Lebenshilfe und wirtschaftlichen Aufschwung und, weiß der Teufel, was sonst noch zum Ziel erklären, wenn sie statt irgendwelcher Glaubensphrasen in der Fortentwicklung, in der Evolution, die Liebe und den Willen Gottes sehen, dann haben sie alle für sich eingenommen, Wirtschaft und Parteien. Zumindest kann keiner nein sagen. Auch nicht die Bosse. So ging es und doch allen.«
»Ich habe weder ja noch nein gesagt. Ich habe mir das alles durchgelesen, was ich da zugeschickt bekam, und mir gesagt: Na laß sie mal.«
»Haben wir alle«, konterte Köschner. »Doch dann kamen die Angebote. Dann kam das Geld, nicht wahr?«
Schmidt-Weimar schwieg.
»Und Sie nahmen es. Als ›Förderer‹. Das ist doch der Witz: Nicht Sie haben die GW – die GW hat Sie gefördert!«
»Sie etwa nicht?«
»Das war ja unser verdammter Fehler. Wir haben uns wahrscheinlich nur zwei Dinge gefragt, ohne uns sonderlich für die Antwort zu interessieren. Das erste war: Woher kommt das Geld?«
»Und woher kommt es?«
Köschner war bei seiner Wanderung durch Schmidt-Weimars Frühstückssalon an der Bücherwand angelangt. Er hob den Arm, zog zerstreut einen Band heraus, blätterte, steckte ihn wieder an seinen Platz und kam zurück. Bisher hatte er gesprochen wie in Trance, jetzt wirkte er konzentriert. Er sah sich um, als fürchte er, es könne jemand mithören. Er lehnte sich nach vorn und sagte leise: »Ja, woher? Wer, verdammt noch mal, ist Omega? Was wissen wir von ihm? Ein Geschäftsmann, ein Schweizer Geschäftsmann, eminent erfolgreich. Was heißt eminent, geradezu abenteuerlich erfolgreich …«
Er flüsterte stoßweise wie in höchster Erregung: »Glauben Sie denn wirklich, daß das, was ihm den Erfolg bringt, mit irgendwelchen GW-Jugend-Brigaden im Urwald zu tun hat, mit irgendwelchen Seminarleitern in seinen Psychokursen oder mit den kleinen Ärzten und Pflegemädchen in den Aids- und Altersheimen? – Nein. Die sind nur die Visitenkarte für Politiker, Konzern-Chefs, Banken- oder Zeitungsverleger zum Beispiel.«
»Lassen Sie mich aus dem Spiel.« Auch Schmidt-Weimar hatte jetzt Schwierigkeiten, sich zu beherrschen. »Sagen Sie mir endlich, auf was Sie hinauswollen!«
»Darauf, daß die Post ganz woanders abgeht, Schmidt-Weimar! Darauf zum Beispiel, daß wir es mit dem größten Insider der Finanz-Geschichte, der mundialen Finanzgeschichte wohlgemerkt, zu tun haben, den es je gegeben hat. Darauf, daß es kaum ein großes Geschäft, keine große Transaktion gibt, in die er nicht seine Finger reinkriegt, weil er nämlich dank seiner Beziehungen von vornherein Bescheid weiß und mit seinen Leuten in jeder Ecke der Welt einsteigen und mitmischen kann. Der sahnt ab. Weltweit.«
»Wie angenehm für ihn.« Spöttisch sollte es klingen, es kam aber gepreßt.
»Und was die Informationen angeht: Es gibt Leute, die sagen, er habe irgendeine Hexe engagiert oder irgendeinen hellseherischen Waldschratt, der ihn mit seinen Erkenntnissen beliefert.«
»Nach Gottes Willen …« Schmidt-Weimar verschlang die Hände, um sie ruhig zu halten. »Wieso regen Sie sich eigentlich darüber so auf?«
»Wieso?« Köschner starrte ihn an. Seine Lider waren rötlich verschwollen, und die Augen wirkten wie glitzerndes,
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