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Der Herr der zerstörten Seelen

Der Herr der zerstörten Seelen

Titel: Der Herr der zerstörten Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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    Leise, fast behutsam, aber sehr eindringlich sagte Heininger: »Wenn das, was ich glaube, richtig ist, mein Junge, wenn das Scheißzeug, das du vorhin schlucken wolltest, eine Giftkapsel war, wenn ihr Wahnsinnigen euch nach einer Verhaftung umbringt, weil das einfach so befohlen wird – dann hättest du genau dasselbe erlebt. Mit allen Konsequenzen, bis zum Ende, Junge … Solche Strychnin-Kapseln lähmen das Atemzentrum im Gehirn. Und die Folge?«
    Er packte ihn an den Schultern, zog ihn hoch, schüttelte ihn. Der Mund des Gefangenen stand weit offen, Speichel rann aus den Mundwinkeln. Er sah schrecklich aus.
    »Du erstickst. Dann erstickst du! Hörst du: erstickst!«
    Heininger ließ ihn wieder fallen. »Und warum? Weil du an einen Arjun glaubst … Weil du glaubst, du könntest eine neue Welt bauen, indem du Leute umbringst, genauso wie all die anderen Bescheuerten, die das schon versucht haben … Ja, von wegen. Die Welt mag beschissen sein, da hast du recht, aber so gemein und so beschissen wie diese Wahnsinnigen, für die du die Drecksarbeit erledigen sollst und die dir dann sagen, daß du dich anschließend umbringen mußt – so gemein und so beschissen, mein Junge, ist sie noch immer nicht. Hast du das verstanden?«
    Heininger ließ ihn liegen, wo er lag. Sein Schluchzen ging ihm auch nicht mehr auf die Nerven. Er tat ihm sogar leid. Schließlich sagte er: »So, und jetzt reden wir. Jetzt sagst du mir, was die sich noch so alles ausgedacht haben. ›Plan B‹ zum Beispiel. Was ist mit ›Plan B‹?«
    Von seiner Nase wollte Tennhaff nichts mehr wissen, die hämmerte so vor sich hin. Laß sie, sagte er sich. Und daß auch die Jeans von den Knien abwärts aufgerissen waren – nun, es gab Schlimmeres. Aber Schnee, Kälte und Nässe wurden unangenehm. Und der Schneefall hielt an, nicht mehr so stark wie zuvor, auch nicht mehr von so viel Wind begleitet, aber stetig und unbeirrbar.
    Tennhaff hatte sich an der stärksten der Jungkiefern hochgezogen, es bis zum dritten Ast geschafft und dabei weitere weiße kalte Ladungen abbekommen. Und nun begann die dämliche Nase wieder zu brennen wie Feuer. Er wagte nicht länger daran herumzufingern, er war überzeugt, daß er sich das Nasenbein gebrochen hatte. Na, wenn schon … Der Mensch kriegt seinen Sauerstoff auch durch den Mund. Hauptsache, er konnte überhaupt atmen.
    Wieder drehte er den Kopf nach links, sah über den Hang, auf dem die Schonung wuchs. Die Sicht reichte jetzt weiter, über hundert, vielleicht sogar zweihundert Meter. Der Hang war ziemlich flach. Er schien wie ein weißes glattes Brett.
    »He!« hörte er Katis Stimme. »He, Robert!«
    Sie hatten sich etwa zwanzig Meter unterhalb des Hubschrauberwracks mit Zweigen eine Art Unterschlupf gebaut. Katis Stimme aber kam von oben, von der Absturzstelle. Sie hatte sich also wieder hochgekämpft.
    Robert drehte sich um, und da war sie. An den Leib gepreßt hielt sie einen kleinen Verbandskasten mit einem aufgepinselten roten Kreuz und eine zusammengerollte Plastikplane. »Sieh mal …« Sie hob den Verbandskasten hoch. Ihr Atem trieb weiße Wölkchen zu ihm hin. »Und dann hab' ich auch noch nach Wolldecken gesucht. Nichts. Sense … Nichts als dieses Plastikzeug …«
    »Was heißt, nichts als Plastikzeug! Das ist doch super. Damit können wir uns einen Iglu bauen.«
    »So, einen Iglu? Was du nicht sagst. Jetzt komm mal her.« Sie kniete im Schnee, hatte den Verbandskasten offen, eine Schere in der Hand und war bereits dabei, Leukoplast zuzuschneiden. »Jetzt bauen wir was ganz anderes …«
    Robert kauerte sich vor sie hin. Nun waren die Atemwölkchen noch näher. Mein Gott, was für ein Mädchen … Was heißt Mädchen? Was für eine Frau! Und wie hatte sie sich verändert. Kaum zu glauben … Da war nichts mehr von ergebener, ängstlicher Schüchternheit. Vielleicht war dieser Unfall dazu nötig – oder du hast sie vollkommen falsch eingeschätzt.
    Es tat weh, als Kati ihm das erste Pflaster wie eine Leiste auf seinen Nasenrücken drückte. Sie gab zwei neue Lagen darauf, dann Querstreifen, schließlich Mull und wieder Leukoplast, kniff das rechte Auge zusammen und verkündete, nun sähe er genauso aus wie Pinocchio …
    Es war ihm völlig gleichgültig, wie er aussah. Er staunte über Katis Nerven. Sie versorgte ihn ruhig und umsichtig. Da war kein Zittern in den Händen, keine Klage, nichts. »Weißt du, Kati, was du für mich bist: eine Art Weltwunder«, sagte er.
    Sie klappte den Kasten zu und

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