Der Herr der zerstörten Seelen
noch lange nicht, daß ich …«
»Daß du was?« mischte Jan sich ein. »Daß du etwa nicht in eine Krankenstation paßt?«
Tommi grinste.
»Ich habe Hunger«, sagte Do. »Und hier kriegt man nur Tee oder Cola.«
»Das läßt sich schnell ändern, Frau Folkert. Wir gehen rauf in mein Büro, falls Sie keine Beschwerden haben, und ich lasse Ihnen ein paar belegte Brote bringen.«
»Beschwerden? Mir tut die Schulter weh, das ist wohl normal. Aber für eine Beschwerde halte ich das nicht.«
Und so gingen sie in den ersten Stock hinauf, über endlose Korridore, an Uniformen und Gesichtern vorbei, die nicht in ihrem Gedächtnis haften blieben.
»Wissen Sie«, sagte Heininger, »ich bin elend in Druck. Wirklich. Aber einige Dinge sind zu klären.«
»Einige? Viele!«
»Richtig. Leider. Meine Situation ist heikel. Wir haben verdammt wenig Zeit.«
»Heikel ist gut. Und meine?« Do blickte auf ihre Armbanduhr: »Und Zeit? Mir bleiben noch vier Stunden.«
Er öffnete eine Tür und komplimentierte sie in einen Sessel. »Vergessen Sie die Geschichte mit den Disketten, Frau Folkert. Streichen Sie die einfach.«
»Streichen?« Sie funkelte ihn an. »Mit Vergnügen! Bloß wie?«
Die anderen bekamen Stühle. Heininger blieb stehen und schob die Hände in die Taschen seiner dunklen Kordhose. »In den letzten Stunden haben sich eine ganze Menge Dinge ereignet, über die ich Sie jetzt kurz in Kenntnis setzen möchte. In der Nähe von Marktredwitz haben ein paar Schulkinder eine Leiche entdeckt. Sie hing zwischen angeschwemmten Stämmen am Ufer eines Stausees. Als die hinzugerufenen Beamten mit einem Scheinwerfer die Stelle ausleuchteten, fanden sie einen Wagen, der gar nicht tief unter Wasser an irgendeinem Felsen hing. Nun, er wurde geborgen, und dabei machte man eine interessante Entdeckung: Disketten! Neun Computerdisketten … Sie waren in einem Versteck der Innenraumverkleidung untergebracht. Die aber hatte sich durch das Wasser gelöst, und so brauchten die Beamten gar nicht erst zu suchen.«
Do starrte ihn ungläubig an. »Sie meinen doch nicht etwa, daß es sich bei diesen Disketten um dieselben handelt, die …«
»Doch, das meine ich.« Der Kommissar nahm die Brille ab und blinzelte müde. »Und ich nehme sogar an, es sind alle. Die Auswertung ist noch nicht beendet. Die Dinger waren elend verdreckt, mußten getrocknet und was weiß ich noch werden. Aber einige wenige Teile sind schon abgeschrieben. Danach steht ganz zweifellos fest: Es handelt sich um GW-Interna.«
Dos Mund wurde trocken. Keiner sagte einen Ton.
»Der Mann«, fuhr Heininger fort, »ich meine, der Tote, der im See gefunden worden ist, war Ihnen bekannt. Wenigstens dem Namen nach … Sie wollten ihn schließlich in Bayreuth besuchen.«
»Hilper?« flüsterte sie. »Martin Hilper?«
Heininger nickte. »Ja, Hilper … Er hat eine schwere Kopfverletzung. Sie mußten ihn niedergeschlagen, aus seinem Haus weggefahren und dann in seinem eigenen Auto ertränkt haben. Beim Sturz in den See hatte sich die Tür geöffnet, und der Mann wurde abgetrieben.«
»Mein Gott …«
»Stimmt, Frau Folkert, mein Gott!« Kommissar Heininger leistete sich ein erstes schwaches Lächeln. »Aber das ist nicht alles: Diese Explosion heute morgen auf der Grünwalder Straße war auch so eine völlig verrückte Sache. Eine Menge Glück war da im Spiel. Zum Beispiel, daß sich niemand auf der Verkehrsinsel aufhielt, sonst wäre ein Blutbad daraus geworden. Also gut: Was da hochging, war eine Bombe. Amonal. Ein äußerst wirksamer Sprengstoff. Die Bombe wiederum war für Fern- und Zeitzündung ausgelegt, was bedeutet, daß es sich um einen Sprengkörper handelte, den nur hochkarätige Spezialisten herstellen, Leute, die man im allgemeinen nur bei der ETA, in Irland oder im Nahen Osten findet.«
»Eine Bombe? – Ja, wieso denn?«
»Das wissen wir inzwischen. Ich hatte schon verdammt viel Pech bei Ermittlungen …« Der Kommissar leistete sich ein melancholisches Grinsen. »Diesmal aber haben wir eine Glückssträhne in der Hand. Alles passiert zur gleichen Zeit. Und alles paßt … Fast unglaublich, wie es paßt. Jedenfalls, im Wagen waren zwei Insassen. Einer hat überlebt. Und auch noch fast unverletzt … Ich habe ihn gerade verhört. Er hat gestanden. Aber vorher wollte er sich noch schnell mit einer Strychnin-Kapsel umbringen, was ihm nicht gelang … Die GW-Killer-Gruppe ist eine Art Selbstmordkommando, aber sie handelt nach genauen Anweisungen und mit hoher
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