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Der Herr der zerstörten Seelen

Der Herr der zerstörten Seelen

Titel: Der Herr der zerstörten Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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der Nacht zu mir … Sie wollte bei mir bleiben. Ihr war schlecht, hat sie gesagt … Sie fror auch so schrecklich. Und dann wurde ihr Arm ganz starr und der Nacken auch. Am Morgen hat sich das gebessert … Aber als ich ihr das Frühstück holen wollte, ist sie weggerannt. Einfach raus …«
    »Raus? Hierher?«
    »Nun helfen Sie doch! Sie sehen doch selbst, wie es ihr geht. Außerdem hat sie doch nur dieses dünne Zeug an.«
    Tennhaff bückte sich. Toni? – Toni Becker? Stimmt. Er hatte die beiden Dossiers auf seinem Schreibtisch liegen, aber er war noch nicht dazugekommen, sie durchzusehen.
    Das Mädchen hatte sich seitlich auf dem eiskalten Boden ausgestreckt. Es lag da, die Knie angezogen, das Kinn gegen die Brust gedrückt. Tennhaff faßte nach Tonis Hand. Sie war kalt. Die Stirn brannte.
    »Komm!« sagte er, »das wird schon wieder. Aber jetzt stehen wir erst mal auf, ja?«
    Sie rührte sich nicht. Er zog seine Jacke aus und hob die Kleine hoch. Als er sie an der rechten Schulter hielt, stellte er die seltsame Muskelspannung ihres Körpers fest. Der Oberarm war hart wie Stein …
    Tennhaff stellte sie auf die Beine und legte ihr die Jacke um. Sie starrte ihn an. Ein mageres Gesicht mit grauen, verschwollenen Augen, Sommersprossen rechts und links der Nase und bläulich verfärbten, zitternden Lippen. Und dieser Blick! Robert hatte das Gefühl, als sähe sie ihn überhaupt nicht.
    Er nahm das Handy vom Gürtel und rief Topitz an. »Hannes, wir haben ein Problem. Eines der Alpha-Mädchen ist krank. Ich bin hier unten am Bach, bei den drei Tannen gegenüber vom Pavillon. Schick mir sofort einen Wagen.«
    »Aber das ist doch Retos …«
    »Schick mir einen Wagen, Herrgott noch mal! – Ende.« Tennhaff hielt Toni an den Schultern fest und versuchte, mit den Fingerspitzen der rechten Hand den Puls an ihrem Hals zu ertasten. Ihr Herz jagte. Und dann dachte Tennhaff plötzlich: So was hast du schon mal erlebt! Und das war dann ernst geworden, sehr ernst sogar …
    Im Schloß gab es eine Krankenstation, aber bei ernsten Fällen half sie nicht viel. Trotzdem war der Chef strikt dagegen, Besuchern, deren Verhalten nicht genau kontrolliert werden konnte, den Zugang zum Gelände zu gestatten. Ärzte gehörten für ihn auch dazu … In seinem Verfolgungswahn war Marc Berg sogar so weit gegangen, daß er ein Mitglied, das sich bei einem Bauunglück einen offenen Beinbruch holte, im Lieferwagen abtransportieren ließ. Das nächste Krankenhaus lag 32 Kilometer entfernt. Der Mann konnte seine Knochensplitter betrachten, die aus dem Bein ragten, und den ganzen Weg über schreien, bis er schließlich ohnmächtig wurde. Marc Berg hatte nun mal den Sicherheitstick.
    Da kam der Wagen. Es war einer der Passats der Fahrbereitschaft. Tennhaff spürte, wie das Mädchen schwer in seinen Armen wurde. Sie murmelte etwas. Dann sackte ihr Kopf zur Seite. Er hob sie hoch und trug sie dem Wagen entgegen …
    Die Kältewelle, die in dieser Nacht die Temperaturen wieder weit unter den Gefrierpunkt drückte, hatte am Morgen das Voralpenland erreicht. An Do Folkerts Haus fror das Tropfwasser zu Eiszapfen. Hanne, die Haushälterin, holte Streumaterial, um die Treppe rutschsicher zu machen, damit sich ein Unfall wie gestern nicht wiederholen konnte.
    Do aber schlief. Und der Schlaf trieb sie in einen Alptraum: Wieder war sie auf dem Golan. Wieder diese weichen, schwarzen Höhenkämme, das Dorf dort unten nichts als eine Ansammlung heller Hauswürfel … Und dann zerriß die Explosion die Stille dieser biblischen Landschaft, und die hochfliegenden Trümmer verwandelten eines der Häuser in eine Art schreckliche Blume …
    Darauf hatten sie gewartet; mit der Frau hatte niemand gerechnet. Schräg kam sie über den von Geröll übersäten Hang herauf, eine alte Frau in einem schweren violetten Kleid, dessen Saum über die Steine streifte. Die Fäuste hatte sie erhoben, den Mund offen, und da waren die Augen nun ganz deutlich vor Do, Augen von einem so unergründlichen und unbändigen Zorn, Augen wie schwarzes, loderndes Feuer.
    Und ein Mund, der schrie.
    »Was will sie?« stammelte Do und wich zurück.
    »Na, was schon?« Der israelische Hauptmann, der die Journalisten-Gruppe in das Tal hinauf gebracht hatte, schüttelte nur den Kopf. »Uns verfluchen. Was denn sonst? Uns und unsere Kinder und Kindeskinder …«
    Der Mund. Diese Augen. Und ein Steingesicht, aus dem der Haß sprach.
    Do schlug mit den Armen um sich, sie fuhr hoch.
    »Frau Folkert? –

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