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Der Herr der zerstörten Seelen

Der Herr der zerstörten Seelen

Titel: Der Herr der zerstörten Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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in den Kleidern mal abgesehen, war nichts passiert. Auch die Schüsse waren nicht so ganz ernst gemeint gewesen, wie es sich nachher bei der Vernehmung der beiden Milizionäre ergab, die geschossen hatten. Es stellte sich heraus, daß der erste nur seine Waffe hochgenommen hatte, was der andere wiederum falsch verstand, worauf er ihm die Kalaschnikow wegzuschlagen versuchte und das blöde Ding von selbst losratterte.
    Dies hier allerdings war nicht Mogadischu.
    Dies war die Heldtstraße in Neutrudering, München. Und es schien ernst.
    Do stieg aus.
    Sie wunderte sich, daß ihre Beine funktionierten. Aber als sie dann auf das kleine braune holzbeplankte Haus zuging, hatte sie auf dem Plattenweg doch Mühe, die Richtung zu halten.
    Die Tür flog auf. Ein Mann in Jeans und Lederjacke stürzte heraus: Reinecke.
    »Du?« schrie er schon von weitem. »Ja, Herrgott! Hast du nicht mehr alle Tassen im Schrank?« Er griff nach Dos Arm, um sie zu stützen.
    »Laß nur. Es geht schon.«
    Wie immer kam die Reaktion mit Verzögerung. Do spürte, wie der Adrenalinausstoß die Kiefer zittern ließ.
    »Mensch, Do, was soll das bloß? Wie kamst du auf diese Schnapsidee? Na, komm rein.«
    »Ich wollte dich suchen, Tommi. Lobko hat mir am Telefon gesagt, daß hier was läuft.«
    »Lobko, wer sonst … Und da fährst du durch 'ne Polizeisperre.«
    »Da war ja keiner …«
    Tommi starrte sie an, die Wangen wie immer von grauen Stoppeln übersät, am Kinn diesen komischen Ziegenbart, Augen von leuchtend intensivem Blau, Redford-Augen … Unsinn. Jäger-, nein, Fotografenaugen. Er schüttelte erneut den Kopf.
    »Na komm. Bier hab' ich. Vielleicht läßt sich auch ein Schnaps auftreiben.«
    Sie kamen in einen engen Korridor, der mit drei kläglichen Gemsengeweihen dekoriert war, dann zu einer schmalen, steilen Treppe, und stiegen hinauf.
    Reinecke stieß eine Tür auf.
    Am Fenster stand ein untersetzter, bulliger Mann in einer kugelsicheren Weste. Er drehte sich um. »Herr Pichler von der Kripo«, stellte Reinecke vor. »Und falls du wissen willst, Sepp, wer diesen Blockadebrecher von Frontera gerade gefahren hat – es war die Dame.«
    »So? Sie sind doch Frau Folkert, nicht wahr?«
    »Richtig.« Tommi legte ihr die Hand auf die Schulter. »Do Folkert. Ein bißchen Glanz kann dieser Hütte auch nicht schaden.«
    »Und wieso …« Pichler unterbrach sich, wirbelte herum, stürzte zum Fenster, schrie: »Ich glaube, es geht los!« und rannte aus dem Zimmer.
    Reinecke nahm die Kamera mit dem aufgesetzten Teleobjektiv von dem abgewetzten Sessel neben dem Fenster. Draußen hörte man Motorengeräusche, dann Kommandos, schließlich eine blecherne Megaphonstimme, die irgend etwas in einer fremden Sprache brüllte.
    »Was soll das, Tommi?« fragte Do.
    »Keine Ahnung. Das ist Rumänisch … Kannst du Rumänisch?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    Er sah sie an. »Was ist bloß los mit dir? Ich kann's noch immer nicht fassen. Na, reden wir nachher darüber … Jetzt bleibst du hier und rührst dich nicht von der Stelle. Sonst gibt's Ärger mit mir. Ist das klar?«
    Sie nickte.
    Als er verschwunden war, ging Do zum Fenster.
    Zwei Polizeitransporter und ein Dutzend uniformierter Beamter bildeten vor dem blauen Haus dort drüben eine Art Spalier. Die Tür flog auf. Vier Männer kamen heraus – dann noch zwei, von denen der eine anscheinend verletzt war, denn zwei der Gangster hatten ihn in der Mitte und schleiften ihn mit.
    Die Männer trugen Wollmützen, Turnschuhe und schäbige, abgetragene Trainingsanzüge in düsteren Erdfarben. Von dem Stoppelfeld, das hinter dem blauen Haus begann, hob ein Schwarm schwarzer Krähen ab und schwang sich in den grauen Himmel.
    Das ganze Bild war irgendwie unwirklich und traurig – und es ließ Do gleichgültig. Sie sank auf den kleinen Sessel, auf dem zuvor Tommis Kamera gelegen hatte, und schloß die Augen. Einen Cognac, bei Gott, den könntest du brauchen. Aber soviel Cognac, wie du nötig hast, gibt's nicht. Wenn das so weitergeht, endest du noch in der Klapsmühle mit Depressionen und einer Entziehungskur am Hals.
    Draußen waren noch immer Männerstimmen und Polizeigebrüll zu hören.
    Do hob zwar den Kopf, aber sie versuchte noch nicht einmal, die Worte zu verstehen. Sie fühlte, wie die Kraft erlosch, die sie bis hierher getragen hatte. Bilder huschten durch ihren Kopf: Timo, der sie so gnadenlos musterte, als habe er irgendein Wesen von einem anderen Stern vor sich … Das Wort Omega und das esoterische

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