Der Herr der zerstörten Seelen
Erfolg geführt, sie beabsichtige, sie offenzuhalten jedem geschäftlichen Interessenten gegenüber, in erster Linie aber denjenigen, die das Interesse verbinde, aktiv der Zerstörung der Welt entgegenzutreten.
»Bitte helfen Sie uns, dieses Netz, das uns retten kann, weiterzuknüpfen.«
Kulturstiftung Schönberg, Walldorf.
»Hm«, machte Tommi.
Do gab Perauer die Broschüre zurück.
»Na, was sagen Sie jetzt? Ganz schön komischer Laden, was?«
Sie nickte. »Und wer ist Arjun?«
»Hab ich Martin auch gefragt. Ganz kapiert hab' ich's nicht. So was wie der große Priester, der Prophet, der Oberboß. Der wird sich das Ding wohl ausgedacht haben. Jedenfalls gilt er als Gründer. Aber das ist noch das Wenigste.«
»Was denn noch?«
»Ich sagte doch schon ›Prophet‹. Er produziert Voraussagen. Und Martin schwört Stein und Bein, daß sie meistens stimmen. Vom Fall der Mauer bis zur Golfkrise, Arjun hätte alles gewußt. Er könne es mir sogar beweisen.«
Martin? dachte Do. Wieso kommt er hier nicht einfach zur Tür rein und sagt: »Hallo!«
Ich muß den Kerl erwischen. Und bald!
»Dieses Schönberg ist doch ganz in der Nähe?«
»So sechzig Kilometer …«
»Aber Martin wohnt doch hier in Bayreuth, nicht wahr?«
»Ja. Wenn er hier ist.«
»Bei Ihnen?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein. Im Haus einer verstorbenen Tante. Sie hat es ihm vermacht.« Tommi nickte. »Ich habe ihn schon anzurufen versucht. Aber es meldete sich niemand.«
»Er schaltet das Telefon ziemlich oft ab.«
»Könnten wir nicht einmal hinfahren?«
Perauer zögerte und blickte auf die Armbanduhr. »Na gut …« Er schob ein paar Briefe in eine Ablegemappe. »Warum nicht? Den Ärger hier kann ich auch auf morgen verschieben. Ein bißchen Luft tut mir vielleicht ganz gut.«
Er erhob sich. »Kommen Sie.«
Das große silberne Mercedes E-Coupé stoppte mit einem weichen, fast höflichen Nicken des Kühlers. Es war bereits ziemlich dunkel.
»Das dort ist das Haus«, sagte Perauer.
Sie saßen eine Weile stumm und blickten hinaus.
Was zu sehen war, wirkte düster und verloren. Das Grundstück schien ziemlich groß zu sein und befand sich noch immer in Zentrum-Nähe, doch es standen nur eine Reihe von Eiben darin und drei oder vier Obstbäume.
Die Gartentür stand halb offen.
Ein feuchter, mit Backsteinen gepflasterter Weg führte zum Haus, einem kleineren Bau mit tief heruntergezogenem Dach. Er wirkte, als sei er seit Jahren nicht bewohnt.
Tommi Reinecke zählte vier Fenster im oberen, zwei, jeweils neben der Tür, im unteren Stock. Die Fensterläden waren alle geschlossen.
Do und Perauer waren ausgestiegen. Er sah, wie Perauer den Briefkasten an dem Pfeiler der Gartentür musterte, den Kopf schüttelte, sich über das gefönte, schwarz-graue Haar strich und weiterging.
Auch Tommi stieg aus.
Als er die beiden Stufen zur Haustür erreicht hatte, holte Perauer gerade den Schlüssel aus der Manteltasche. Tommi beobachtete Dos gespanntes, bleiches Gesicht und fragte sich, was sie wohl von diesem Gespensterhaus erwartete.
»Wohnt er da allein?« fragte er.
»Ja. Und seiner Mutter hat das gar nicht gefallen. Die wollte, daß er bei ihr in der Villa bleibt. Aber wenn Sie mich fragen, ich war ganz froh darum. Es ist das Haus von Tante Luise, einer Schwester seines Vaters. Die hat mitgeholfen, den Martin großzuziehen.«
Er öffnete die Tür.
Die Luft war stickig, verbraucht und kalt.
Tommi sah sich um. Im Vorraum mit seinen altmodischen schweren, dunklen Möbeln gab es drei Türen. Eine stand offen und führte in eine Küche. Perauer öffnete die zweite Tür. Der Raum, den sie betraten, war etwa vier mal sechs Meter groß, weiß gestrichen und ziemlich leer. Hier waren die Fensterläden geöffnet, und Tommi erkannte, daß die Scheiben, durch die das Licht fiel, reichlich verstaubt waren. Auch auf dem Parkettboden lag Staub.
An der rechten Wand hing ein großes Foto. Es zeigte das Porträt eines etwa fünfzigjährigen Mannes, der mit einem gütigen Lächeln um die vollen Lippen aus tiefliegenden, dunklen Augen in irgendeine Ferne starrte. Er hatte volles, gelocktes, doch korrekt geschnittenes Haar. Das Gesicht war ziemlich mager. Zwei tiefe Falten zeichneten sich unter den breiten Wangenknochen ab. Auch die Augen hatten einen exotischen Schnitt.
»Der Guru? – Arjun?« Dos Stimme war nur ein Flüstern.
»Keine Ahnung«, sagte Perauer. »Wahrscheinlich. Ich hab' das Martin auch gefragt. Aber darauf hatte er noch nicht mal 'ne
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