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Der Herr der zerstörten Seelen

Der Herr der zerstörten Seelen

Titel: Der Herr der zerstörten Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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dem ein paar Unterhosen lagen, waren sie leer.
    »Tommi!« Dos Finger krampften sich in seinen Oberarm. Er trat einen halben Schritt zur Seite, weil sein Schatten den Schrankboden verdunkelte. Dort gab es Schuhe; ein paar Bergstiefel standen neben zwei Paar Herrenschuhen, auch sie ziemlich verstaubt.
    Do deutete auf die Jogging-Treter, die links in einem wirren Haufen lagen. Und dann bückte sie sich. Sie hatte einen Schuh in der Hand. Sie sagte nichts. Ihr Mund zuckte. Es war ein Laufschuh. Er war aus weißem Leder gefertigt und mit zwei rosafarbenen Streifen verziert, die auf beiden Seiten schräg zu den dicken Gummisohlen liefen.
    Neben den anderen Schuhen, die alle mindestens Größe 43 hatten, wirkte er klein. Es war der Schuh einer Frau, eines Mädchens …
    Do sagte noch immer nichts. Sie kauerte am Boden und preßte den Schuh an die Brust wie ein Kind seine Puppe.
    »Was ist?« drängte Tommi.
    Sie sah hoch. Die Augenlider zitterten. Sie suchte nach Worten – und dann endlich bekam er die Antwort: »Der gehört Kati. Ich hab' ihr diese Schuhe im letzten Herbst aus Düsseldorf mitgebracht …«
    »Und dessen bist du dir sicher?«
    »Aber ja«, flüsterte sie. »Aber ja, Tommi …«
    Do hatte auf einem kleinen Hocker in dem großen weißen Zimmer Platz genommen. Sie saß unter dem Bild des Gurus, Katis weiße Laufschuhe neben ihren Füßen, und blickte vor sich hin.
    Perauer war Tommi in die Küche gefolgt. Hier herrschte inzwischen ein wenig Helligkeit. Sie hatten die Läden aufgestoßen und die Fenster geöffnet. Woher der dumpfe, unangenehme Geruch kam, war inzwischen auch klar: Der Eisschrank war voll mit verdorbenen Lebensmitteln. Eine geöffnete Sardinendose, Leberwurst, ein verschimmelter Christstollen, mit grünlichem Pilz überzogener Käse … Die Kühlung war ausgefallen. Alles zusammen ergab eine grauenhafte Mischung. In der Spüle stapelte sich Geschirr. Auf dem Küchentisch hatte Tommi, als er zum ersten Mal den Raum betrat, eine Tasse, ein Croissant und ein Glas Marmelade entdeckt. Das Croissant war frisch.
    Perauer stand am Fenster. »Was ist denn mit Frau Folkert? Ich meine, sie war doch selbst der Ansicht, daß Martin etwas mit ihrer Tochter haben könnte. Da braucht sie sich doch wegen eines Paars Schuhe nicht so aufzuregen.«
    »Sie hat Angst«, sagte Tommi.
    »Ja? Wirklich?«
    »Sie nicht?«
    »Ich?«
    »Ja, Sie … Kommt Ihnen das nicht komisch vor? Diese Schweinerei im Eisschrank … Und dann die Tasse mit dem frischen Croissant …«
    »Na ja, Martin war immer ein bißchen schlampig.«
    »Ist doch egal, was Martin immer war. Daß er alles hier rumstehen läßt, daß ihm nicht einmal auffällt, wie es hier riecht … Sie haben gesagt, daß er jeden Monat ein- oder zweimal in Bayreuth aufgetaucht ist. Warum hat er dann den Eisschrank nicht wieder in Schwung gebracht?«
    »Na schön, es kann ja sein, daß ihn die auf Schloß Schönberg festgehalten haben. Irgendeine dringende Aufgabe. Oder daß er ganz plötzlich ins Ausland geschickt wurde. Die haben ja überall ihre Niederlassungen.«
    Ganz plötzlich? – Einer, der einen Eisschrank voll verdorbener Lebensmittel entdeckt, sich trotzdem seinen Kaffee macht, seine Croissants mit Marmelade beschmiert, den Kaffee trinkt, ins Croissant beißt, die Lust daran verliert, ins Bad geht, um sich die Zähne zu putzen … Oder es lief umgekehrt. Er kam zuerst ins Bad und dann in die Küche. Und dann …
    Dann was?
    Es klingelt. Martin läßt den Besucher herein. Oder der Besucher hat einen Hausschlüssel? Und wer immer dieser Besucher war, er muß eine Menge Dinge fertiggebracht haben: Daß Martin Brot und Kaffee stehen läßt und verschwindet … Und mit ihm eine ganze Computeranlage, von der nichts zurückbleibt als das leere Plastikgehäuse, in dem die Disketten aufbewahrt worden sind …
    Wieder blickte Tommi durch das Fenster auf die Straße.
    Autos fuhren vorüber. Es herrschte ziemlicher Verkehr. Gleich vorn an der Ecke gab es ein Spar-Geschäft. Die Häuser waren bewohnt. Jeder Zwischenfall wäre aufgefallen.
    »Der Garten«, fragte Tommi, »wo führt der denn hin?«
    »Zu einer Art Feldweg. Anschließend kommt dann ein Sportplatz.«
    Perauer deutete auf die Küchentür, die nach draußen zur Rückfront führte. Wenn man einen Schritt näher zum Fenster kam, konnte man die Stufen sehen, die auf einen mit feinem Kies bestreuten Vorplatz gingen. Aus dem Kies wuchs Gras.
    Perauer schien auf einmal zu frösteln. Tief hatte er die Fäuste in den

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