Der Herr der zerstörten Seelen
einen Mann und eine Frau. Der Mann ist relativ unwichtig. Uns geht es vor allem um die Frau. Sie heißt Folkert. Do Folkert … Wie man mir sagte, soll es sich bei ihr um eine ganz große Nummer bei der deutschen Presse handeln.«
»Ist sie auch«, murmelte Rister. Dann hob er plötzlich den Kopf. »Aber Herrgott noch mal, wir haben …«
»Ja«, nickte Rocca. »Wir haben ihre Tochter …«
Die Tür hatte sich hinter Engelmann geschlossen. Ein leises Klack, nichts als ein diskreter Protest. Do Folkert ertappte sich, wie sie diese Tür anstarrte. Das frühere rot geflammte Tropenholz hatte Schmidt-Weimar sofort nach dem Einzug in sein prächtiges, mit supermodernen Möbeln ausgestattetes Büro durch dunkle deutsche Eiche ersetzen lassen. Er hielt sich an den Zeitgeist. Er ging immer mit der Zeit. Er blieb hinter seinem Schreibtisch, doch er setzte sich nicht. Er sah Do an, als sie ihm wieder den Blick zuwandte, lange, sehr lange – und schweigend.
Dann nahm er mit spitzen Fingern einen dünnen Plastikhefter von seinem Aktenstapel und reichte ihn Do.
»Was ist das?« fragte sie.
»Sehen Sie sich das mal an. Hab' ich gestern bekommen.«
Es war das Schreiben einer Anwaltskanzlei aus Kalifornien: Fisher and Fisher, Los Angeles. Fisher and Fisher teilte mit, daß sie den Verlag ›New Science‹ vertreten und damit auch die Interessen des New-Science-Autors Frederic W. Collado. Der Verlag ›New Science‹ und der Autor hätten sich nicht zuletzt auf Anraten der ›International Press Watching Commission‹ entschlossen, gegen das Nachrichtenmagazin ›Heute‹ und wegen der persönlichen Haftung gegen dessen Chefredakteur Engelmann und gegen die Chefreporterin Dorothea Folkert gerichtliche Schritte zur Einleitung eines Schadenersatzverfahrens wegen Verletzung der Urheberrechte einzuleiten.
Do holte erst mal tief Luft. Sie begriff nichts, kein Wort. Was sollte das schon wieder?
»Starren Sie nicht mich an, Do, lesen Sie schon.«
Es waren nur wenige Blätter. Drei davon Fotokopien im Kleinformat.
Sie erkannte sie sofort: Die eine Kopie enthielt einen ihrer Artikel über gentechnische Freilandversuche in Kalifornien. Der Artikel war zwei Jahre alt. Sie war damals nach Sacramento geflogen und hatte sich auf der Pflanzung einen Monat lang aufgehalten. Auch der andere Bericht war vor Ort recherchiert: Eine kritische Auseinandersetzung über die Zukunftsperspektiven und Konsequenzen, die eintreten würden, wenn die Kronkolonie Hongkong in chinesische Hände überging. Dieser Verlag aber, der da klagen wollte? Es gab ›Science‹, ein international renommiertes Wissenschaftsmagazin – aber ›New Science‹? Nie hatte Do von einem Blatt dieses Namens gehört. Und dieses ›New Science‹ nun schien gleichfalls ihre beiden Themen gebracht zu haben …
Do hielt die Blätter näher an die Augen. Sie konnte es nicht glauben. Wie denn? Der Text war zwar englisch, aber die Sätze waren ihr bis zur letzten Wendung vertraut.
»Was soll denn das? Die haben mich ja wörtlich abgeschrieben. Nun schicken sie es uns auch noch zu?«
»Genau das gleiche behaupten sie von dir, Do.«
Sie überhörte das Du. Sie registrierte es nicht einmal. Ihr Blick suchte den Autorennamen: Unterschrieben hatte ein Frederic W. Collado …
Und dann verglich sie die beiden Erscheinungsdaten, sowohl bei dem Hongkong – wie bei dem Gentechnik-Artikel. Eine Blutwelle schlug in ihr Gesicht. Sie fühlte ihre Stirn heiß werden.
»Aber … das gibt's doch gar nicht!«
Sie wollte Schmidt-Weimar das Schreiben auf den Tisch werfen, aber sie bezwang sich und legte es ganz vorsichtig zurück. Es war einfach zu lächerlich, nein, zu unwirklich!
»Dieses New-Science-Blättchen behauptet, vor uns veröffentlicht zu haben. Und zwar den identischen Text. Meinen Text! – Darauf läuft's doch hinaus, nicht wahr?«
»Ja, Do. Nur, die behaupten, daß du aus dem New Science abgeschrieben hast. Wortwörtlich abgekupfert, bis in die letzten Details, einschließlich der Zahlen.«
Do schüttelte den Kopf. Und fing an zu lachen. Der Mund des Verlegers war jetzt sehr schmal. Er stand hinter seinem Schreibtisch auf, ging zum Fenster, kam zurück, holte eine Flasche aus dem Regal und setzte sich, den Cognac in der Hand, auf die Schreibtischkante.
»Wollen Sie ihn nicht trinken?« sagte sie.
»Wissen Sie, Do …« Er war wieder beim Sie angelangt. »Ich muß jetzt etwas in der Hand haben, das mich beruhigt.« Sie lachte wieder.
Er sah sie an, lange. »Irgendwo und
Weitere Kostenlose Bücher