Der Herr des Traumreichs
heftigen Bewegungen über den Boden, bis er an einer Wand lag. Dann wartete er darauf, zertrampelt zu werden.
Donnernde Schritte waren zu hören. Ravenna und Garth zuckten zusammen und duckten sich, ohne zu wissen, worin die Gefahr bestand oder aus welcher Richtung sie kam.
Wieder schrie Maximilian auf. Er entriß Ravenna die linke Hand, preßte sie auf den rechten Arm und warf sich wie ein Rasender auf dem Bett hin und her.
»Garth!« rief Ravenna und schlug die Hände vor das Gesicht.
»Sieh doch nur!«
Ihr Blick war auf die Hand gerichtet, mit der Maximilian seinen Oberarm umklammert hielt. Tief krallten sich die Finger in das weiße Fleisch, doch dazwischen strahlte grell ein blaues Licht hervor. Wieder wurde Maximilian von einem Krampf erfaßt und schrie ein drittes Mal. Dann entspannte er sich allmählich, und tiefes Staunen zeigte sich auf seinen Zügen.
Zögernd ließ er die Hand sinken.
Garth und Ravenna holten tief Luft. Auf Maximilians rechtem Oberarm prangte in leuchtendem Blau unübersehbar ein Wappen: der Manteceros mit seinen dicken Beinen und der steifen Mähne.
Maximilian drehte den Kopf zur Seite und besah sich das Mal. Sein Blick wanderte langsam zu Garth. »Ich erinnere mich«, flüsterte er. »Alles ist wieder da.«
Cavor pumpte die staubige Luft in tiefen Zügen in seine Lungen. Hustenstöße schüttelten ihn. Langsam stemmte er sich hoch, stand einen Augenblick lang staunend still und atmete schwer. Dann riß er sich Jacke und Hemd vom Leib und drehte den Kopf zur Seite.
Sein Arm war vollkommen verheilt. Das Wappen des Manteceros leuchtete klar und blau auf der glatten, rosigen Haut.
Die Schmerzen, die ihn seit Jahren gequält hatten, waren verschwunden.
Fort.
Seine Atemzüge wurden ruhiger, er hob den Kopf und starrte blind in die Tiefen des Raums. Er ahnte, was das bedeutete.
Wenn sein Mal geheilt war, dann hatte jemand Maximilians Mal vom Narbengewebe befreit. Und wenn das geschehen war…
Wenn das geschehen war, dann konnte Maximilian seinen Anspruch auf den Thron anmelden. Und das war nur an einem einzigen Ort möglich.
»Der Wald«, flüsterte er. »Er ist im Wald.«
Maximilian saß schweigend vor dem Feuer, hielt eine Schale mit Suppe in den Händen und führte mit langsamen, bedächtigen Bewegungen den Löffel zum Mund. Seit Ravenna mit ihm und Garth in die Hütte im Felsen zurückgekehrt war, hatte er kaum ein Wort gesprochen. Nun starrte er in die Flammen und versuchte, auf seine Weise die Flut von Erinnerungen zu bewältigen.
Der Prinz trug nur Kniehosen und Stiefel. Der flackernde Schein des Feuers spielte über seinen nackten Oberkörper.
Immer wieder wanderten die Blicke der anderen zu dem leuchtend blauen Mal auf seinem Arm und weiter zu seinem Gesicht.
Als die Verderbnis von ihm abfiel und seine Erinnerungen wie ein rauschender Strom die Leere füllten, hatte Maximilian wie von selbst die Haltung und das Benehmen eines Prinzen angenommen. War er seit seiner Befreiung aus den Minen (und wohl auch schon viele Jahre vorher) mit hängenden Schultern und unsicheren Schritten dahergeschlurft, so hielt er sich jetzt aufrecht und bewegte sich bei aller Gemessenheit kraftvoll und zielstrebig.
Sein Gesicht, bis vor kurzem gezeichnet von hilfloser Qual, zeigte immer noch die Spuren überstandener Schmerzen (und das wird wohl bis ans Ende seiner Tage so bleiben, dachte Vorstus), doch jetzt wirkte es gefaßt und ruhig und strahlte trotz der aufwühlenden Erinnerungen einen eigentümlichen Frieden aus.
Joseph wußte freilich, daß der Prinz schon in jungen Jahren gelernt hatte, seine Gefühle tief in sich zu verschließen.
Er selbst konnte die Tränen nicht zurückhalten. Dieser Mann war noch der Junge, den er einst gekannt hatte, doch jetzt war er in die ererbte Rolle hineingewachsen. Wer wollte noch daran zweifeln, daß er königlichen Geblüts, daß er zum Prinzen geboren war?
Maximilian hatte die Schale geleert, stellte sie neben das Feuer und wandte sich den drei Männern und der jungen Frau aus den Sümpfen zu. »Wollt Ihr mich anhören?« fragte er, und alle nickten.
Maximilian rutschte auf seinem Hocker hin und her, bis er eine bequeme Stellung gefunden hatte. »Boroleas, der Jagdhund, den ich zu meinem vierzehnten Geburtstag bekommen hatte«, begann er, und sein Blick ging in die Ferne,
»war ein Geschenk der Falschheit.« Sein Blick wanderte zum Fenster, als wäre der Weg, der ihn in sein Unglück geführt hatte, noch immer zu sehen. »Er war darauf
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