Der Herzberuehrer
besser. Das sind schlimme Momente.
Ich hasse mich dann.
·
Am Morgen unserer Abreise überraschte mich Shiro mit einem Geschenk. Es handelte sich um eine CD, die er wohl bei einem seiner Streifzüge durch Ravennas Altstadt besorgt hatte. Sie lag ganz unspektakulär neben meinem Becher Café, hübsch verpackt in silber-braun gestreiftem Papier, mit einem kleinen Anhänger daran, auf dem sich in japanischen Schriftzeichen mein Name, und die Kritzelei eines kleinen Monsters befand. Ohne dies ging es irgendwie nicht bei ihm. Das war schon immer so gewesen...
Was dann zum Vorschein kam, war klasse: Japanische Filmmusik von Joe Hisaishi, 'Chihiros Reise ins Zauberland'. Es war einer jener Anime-Filme gewesen, die wir früher in unserem 'alten' Leben immer und immer wieder gesehen hatten. Wir konnten die Texte fast schon mitsprechen. Genau der richtige Film für einen verregneten Sonntag.
»Danke dir...«, erwiderte ich erfreut und überrascht zugleich. »Womit hab ich das verdient?«
Aber statt einer Antwort bekam ich nur sein feines Lächeln geschenkt. Und dann kam Ricardo vom Zigaretten holen zurück und ein gedehntes Abschiednehmen nahm seinen Lauf, eines, dass ihn die halbe Schachtel kosten sollte.
Später auf der Rückfahrt hörten wir Hisaishis Musik. Es dauerte nicht lange, da ließen wir uns von ihrer teils heiteren, teils bombastischen Stimmung anstecken, begannen rumzualbern und erzählten uns aus der Erinnerung heraus einzelne Filmssequenzen, die in uns noch lebendig waren. Wir schafften es so, für einen längeren Moment zumindest, ein wenig in der Zeit zu reisen. Doch je näher wir Genova kamen, je näher dem Berg, desto verhaltener wurde unsere Stimmung. Bis dann irgendwann Schweigen die Oberhand gewann. Nicht ein so trauriges, beklemmendes, wie beim Beginn unserer Reise, aber doch ein bedrücktes. Eines, welches zeigte, dass es noch eine ganze Weile dauern würde, bis bei uns wieder so etwas wie Normalität herrschte.
Als ich dann gegen Abend den Wagen im Dunkeln auf meinem Parkplatz ausrollen ließ, die Scheinwerfer aus- und unsere beiden Reisetaschen auf den vertrauten Steinstufen abgestellt hatte, da standen Shiro und ich uns mit einem Male einfach nur still gegenüber und sahen uns lange, sehr lange an.
Ja, und schließlich, nach einer halben Ewigkeit, so schien es, da traten wir einen Schritt auf einander zu, ganz vorsichtig, ganz behutsam um uns in die Arme zu nehmen.
Und dann endlich kamen die Tränen...
16.
Für einen Moment war es eigenartig beklemmend, wieder zurück zu sein. Der Betrieb im 'Luro' lief offensichtlich reibungslos, das zeigte ein kurzer Blick ins Restaurant. Wir wurden von allen herzlich begrüßt, und wäre da nicht das Fehlen von Orlando und Sandra gewesen, man hätte den Eindruck gewinnen können, alles gehe seinen normalen Gang. Wie immer...
»Konntet ihr ein wenig Abstand bekommen...?«, fragte Chip nach einem flüchtigen Begrüßungskuss im schwach beleuchteten Flur. Ich hatte zuvor meine Sachen ausgepackt, geduscht und war auf dem Weg in den Weinkeller gewesen, um mir einen Schluck unserer Hausmarke abzuzapfen.
»Es war gut, dass wir die Fahrt gemacht haben...«, antwortete ich, immer noch dankbar für ihr Entgegenkommen. »Und hier? Wie läuft es? Immerhin warst du jetzt die einzige Köchin im Haus.«
»Denkst du vielleicht...« Ihr Grinsen ließ meinen Blick Richtung Küche wandern.
»Ja, ja... geh nur rein...«, forderte sie mich auf, und ihr Lächeln wurde breiter dabei. »Bin gespannt was, du sagst...«
Doch ich musste die Türe gar nicht erst öffnen, um zu wissen, was sie meinte, denn ich vernahm schon ganz leise die vertrauten Tango-Klänge, die nur von Rosalinas tragbarem Plattenspieler kommen konnten.
Sie hatte es also doch wahr gemacht.
Das D’Agosta ging wirklich den Bach runter...
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»...Und nun überlegt Giade, ob sie sich von deinem Bruder trennen soll, was sagst du nun...?«
Ich hatte so eine ungefähre Ahnung, was das für die Stimmung imD’Agosta bedeuten musste.
»Ein Glück, dass wir zur Zeit geschlossen haben...«
Stimmt ja - die Winterpause. Daran hatte ich gar nicht gedacht.
»Na, und dann habe ich mich an deine Worte erinnert und Chip angerufen. Ich dachte mir - mehr als nein sagen kann sie nicht - und: Tadaah, hier bin ich nun!«
»Jetzt brauchen wir nur noch eine Unterkunft für sie«, gab Chip zu bedenken. »Zur Zeit hat sie die Sieben, aber wenn die Buchungen wieder anziehen...«
»Können wir das alles Morgen
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