Der Herzberuehrer
er , derjenige, der...?«
»Er ist es!«, sagte ich leise, ohne sie aussprechen zu lassen »...Und nun ist er hier...«
»Was ist mit ihm passiert?« Sie hatte ihre Arbeit unterbrochen, sich neben mich gestellt und sah mir direkt in mein Gesicht. Sie erwartete eine Antwort, und mir war klar, dass sie auch ein Recht dazu hatte. Wir waren hier oben zu eng miteinander verwoben, als das noch mehr Geheimnisse Platz dazwischen gefunden hätten.
»Ich habe keine Ahnung, aber so wie es aussieht, ist es eine traurige Geschichte.«
»Erzähl mir davon...«, forderte sie mich auf und es war nicht Neugier, die sie antrieb, sondern aufrichtige Anteilnahme.
»Das werde ich, aber dazu muss ich erst mit ihm gesprochen haben.«
»Du hast Angst davor!« Das war keine Frage. Es war eine Feststellung.
»Natürlich. Die hättest du auch.«
Sie nickte. Dann strich sie über ihren kahlen Schädel, legte ihn schief und sah mich fest an. »Luca... ich möchte, dass du weißt, dass ich bereit bin, dich zu unterstützen, wo immer ich kann.« Und ein stolzes Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie weitersprach »...Das sage ich, das sagen Orlando und Pia und Stefano, die ABC’s, das sagen einfach alle hier. Ich möchte, dass du das weißt. Und ich denke, dass du auch weißt, was das bedeutet.« Einen kurzen Moment sah sie noch in mein Auge, dann wandte sie sich von mir ab und konzentrierte sich wieder ganz auf ihre Arbeit. Von ihrer Seite war alles gesagt.
Loyalität in einer Küche ist keine Selbstverständlichkeit.
Der Druck, die Hitze, das ganze Drumherum...
Irgendwie war ich nun sprachlos und ganz plötzlich - das hatte ich wirklich begriffen - ein Stückweit weniger allein.
·
»Weißt du, dass es das zweite Mal ist, dass du mir Hühnersuppe bringst?«
Ich schloss kurz die Augen, als ich daran zurückdachte. Wir kannten uns da gerade mal ein paar Wochen. Ich war sechzehn...
»Gebracht hat sie dir damals Valentina. Ich hatte sie gekocht...«
»Jedenfalls war es die beste Suppe der Welt...«. Seine blassen Lippen lächelten, als er sie von mir entgegen nahm.
Dann saß er, zwei Kissen im Rücken, aufrecht im Bett und trank in kleinen Schlucken aus der Schale, die ich ihm gereicht hatte.
»Wie geht es ihr...«, fragte er plötzlich und holte mich irritiert aus meinen Gedanken. »... Valentina? Lebt sie noch?«
«Oh, ja. Klar!«
Stimmte ja! Shiro wusste zwar vom Magenkrebs meiner Mutter, nicht aber, in welcher Verfassung sie sich befand.
»Sie lebt, und irgendwie geht es ihr auch nicht wirklich schlecht, aber... eigentlich weiß ich es gar nicht genau...«
Eine ernüchternde Aussage, wie ich fand.
Ein plötzlicher, heftiger Hustenanfall von Shiro sorgte dafür, dass er Suppe verschüttete und so auch dieser Gedanke vertrieben wurde.
»Eigentlich ist es aber an mir, Fragen zu stellen...«, sagte ich sanft, doch bestimmt, nachdem der Anfall vorüber war und Shiro sich kraftlos in seine Kissen zurückgelegt hatte. »Oder siehst du das anders?«
»Er schloss erschöpft die Augen und schüttelte den Kopf. Also stimmte er mir zu.
»Außerdem muss ich Daniele benachrichtigen...«, setzte ich nach. «Ich habe ihm versprochen, mich zu melden, wenn ich...«
»Du hast... was ...?« Seine Augen flogen auf und sein Körper versuchte, wieder in Sitzposition zu gelangen, war aber einfach noch zu schwach dafür, also fiel er zurück in die Kissen. Ich legte beruhigend meine Hand auf seine Schulter. »Es ist alles in Ordnung...«, beruhigte ich ihn.
»Nicht... nicht... Daniele...!«
»Aber er war hier. Er macht sich Sorgen um dich.«
»...Das... das glaube ich nicht...«
»So ist es aber.«
Ich nickte ihm zu und wischte mit einem Handtuch die verschüttete Suppe von seiner Bettdecke.
»Ich... ich versteh das... nicht...«
Ich merkte, dass ich zu weit gegangen war und nun einen Weg finden musste, gegen seine Panik anzugehen.
»Es ist nicht kompliziert.«, versuchte ich es. »Er war hier, er hat nach dir gesucht und mich gebeten, ihm Bescheid zu sagen, wenn ich etwas von dir höre... Er macht sich Sorgen.«
»Das glaub ich nicht.«, wiederholte er und schüttelte dabei den Kopf.
»Ich glaube aber... doch.«, widersprach ich ein wenig unbeholfen und dachte an seinen Besuch zurück.
Einen Moment schwiegen wir beide, sahen uns nur lange an, ohne zu wissen, was wir nun tun sollten. Und dann, dann begriff ich endlich, worauf Shiro hinaus wollte, und ich war fassungslos ob dieser Möglichkeit.
»Du meinst, dass er es war?
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