Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Herzberuehrer

Der Herzberuehrer

Titel: Der Herzberuehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jobst Mahrenholz
Vom Netzwerk:
zurück.
    Das war es wirklich.
    »So wie du - meine Taube...«
    Meine... Taube? Meine TAUBE?
    »Uaaaah...« Ich setzte mich abrupt auf und starrte erschrocken und völlig verwirrt in das nächtliche Schwarz meines Zimmers, dass mich umschloss.
    Ich hasste es, wenn das geschah.
    Ich hasste Alpträume...
    ·
    Als die Tür hinter mir ins Schloss gefallen war, konnte ich mir ein Grinsen nicht verkneifen.
    Er trug Shiros Kimono, den schwarzen, einer von jenen, die er seinerzeit aus Japan mitgebracht hatte. Mit dem Erfolg, dass er unfreiwillig komisch darin aussah. Gar nicht übel, aber eben irgendwie komisch. Und es war alles so unglaublich durchschaubar, fand ich. Daniele schoss mal wieder den Vogel ab.
    »Was findest du denn so witzig?«, fragte er denn auch gleich, ohne dabei jedoch unfreundlich zu klingen.
    »Du solltest dich für eine andere Farbe entscheiden...«, schlug ich vor, um ihn nicht zu verärgern und wies in den Flurspiegel, der da schon hing, als ich dort noch lebte.
    »Schwarz macht dich blass...«
    Er musterte sich aufmerksam und nickte bestätigend.
    »Stimmt...«. Dann lächelte er zuvorkommend. »Ich dachte, dass du es asiatisch magst...«
    Ich ging nicht weiter auf sein Gerede ein und sah mich um. Erstaunlicherweise hatte sich kaum etwas verändert, seit meinem Auszug. Eigentlich überhaupt nichts.
    Doch auf der anderen Seite - so erstaunlich war das vielleicht auch gar nicht.
    Wenn Daniele Shiros Leben eins zu eins kopieren wollte, dann war es aus seiner Sicht wahrscheinlich auch notwendig, dass alles möglichst so blieb, wie es gewesen war.
    Eine beklemmende Vorstellung.
    »Erkennst du alles wieder...«, fragte er denn auch, als er meinen Blick bemerkte.
    Ich nickte nur, während ich ihm in die Küche folgte.
    Und auch dort - jede Kleinigkeit war bis ins Detail unverändert. Der alte abgenutzte Holztisch mit den zusammengesuchten Stühlen darum. Mein sechsflammiger Smeg-Herd, den Luisa mir seinerzeit organisiert hatte. Selbst die kümmerlichen Topfpflanzen auf den beiden Fensterbrettern waren noch die gleichen wie damals. Und auch die grüne Obstschale.
    Beklemmend...
    »So...«, sagte ich, nur um irgendetwas zu sagen, »...was nun?«
    »... Essen wir!«, verkündete Daniele erfreut.
    »Muss das sein? Ich habe eigentlich keinen Appetit...«
    »Darauf hast du Appetit... dafür verwette ich meinen Kopf...« Er schenkte mir für einen Moment sein feines bedeutungsvolles Lächeln, öffnete dann schließlich mit erwartungsvoller Geste den Kühlschrank und zog eine gewaltige Schale mit frischen, auf Eis gebetteten Austern hervor.
    Oh nein, dieser Irre. Jetzt musste ich wirklich lachen, laut und fasziniert.
    Es war perfekt und so herrlich plakativ. Plump, auf seine Weise, doch auch genial. Das Aphrodisiakum schlechthin. Der Knabe ließ wirklich kein Klischee aus.
    »Und? Was meinst du...?«
    »Ein genialer Starter... für dies hier...«, musste ich zugeben, immer noch amüsiert von seiner Idee. »...Und ich bekomme... Appetit... wirklich...«
    ·
    Drei Stunden später hockte ich im Schneidersitz auf der alten Matratze, in unserem früheren Zimmer. Ein paar Kerzen tauchten den Raum in weiches Licht.
    Mir war das Lachen vergangen.
    Bestürzt betrachtete ich den zierlichen Körper vor mir, der zusammengekauert und zitternd einfach nur so da lag. Schluchzend...
    Ganz vorsichtig strich ich über die verwachsene Brandnarbe, die sich wie ein Nierengurt um seinen Rücken spann und ich flüsterte beruhigende Worte, in der Hoffnung, ihn damit erreichen zu können.
    Noch nie zuvor hatte mich eine intime Begegnung mehr berührt als diese, mit Daniele.
    Berührt und verstört.
    Es war eine erschütternde, unstillbare Sehnsucht, die sich mir auf unendlich hilflose und doch auch irgendwie zärtliche Weise gezeigt hatte. Und dann die andere, die unaussprechliche Seite davon...
    Aus einer Seele heraus, die solange verletzt, misshandelt und geschunden worden sein musste, bis die Würde und die Anmut dieses Menschen, der da vor mir lag, gebrochen war. Das muss das Ziel gewesen sein. Anders ließ es sich sein Zustand für mich nicht erklären.
    Das Schluchzen wurde mit der Zeit etwas leiser, das Zittern schwächer. Ich strich durch sein Haar, er rutschte ein Stück näher, so als suche er Schutz, schmiegte seinen Rücken an mich, ohne sich jedoch dabei umzudrehen und verharrte so.
    Mir blieb nichts, als ihm das zu geben, von dem ich intuitiv annahm, dass es das war, wonach er sich jetzt, danach, so dringend sehnte, dass es

Weitere Kostenlose Bücher