Der Herzberuehrer
zurückgezogen.
Ja, und auch sein Lächeln gefiel mir. Es war frei von diesem 'Wahnsinns-Touch', den er manchmal nicht aus seiner Mimik rausbekam. Er schien wirklich auf dem Weg der Besserung.
»Sie helfen mir hier...«, antwortete er denn auch leidlich informativ auf mein Nachfragen.
»Wie machen sie das?«
»Nun, sie geben mir was...«
Ich merkte schon an der schleppenden Art seines Sprechens, dass sie ihn nach wie vor mit Medikamenten deckelten. Aber es überraschte mich nicht. Dottore Valdena hatte mich bei meinem letzten Besuch darüber aufgeklärt, dass genau das zumindest in der ersten Zeit erforderlich war. Wie es schien, vertraten sie immer noch diese Ansicht.
»Ich habe dir was mitgebracht...«, lenkte ich ab und legte das Päckchen vor ihn auf sein Tablett. Freudig überrascht schob er seinen Warmhalteteller beiseite, nahm mein von der Ferretto-Schwester hübsch bunt verpacktes Geschenk und schüttelte es vorsichtig.
»Für mich?«, fragte er überflüssigerweise, aber ich nickte nur und lächelte ihm aufmunternd zu.
Es tat mir weh, ihn so zu sehen. So gebrochen, so gedämpft und so empfindsam. Wie ein kleiner, verletzter Junge ...
Genau so riss er denn auch mit fahrigen Bewegungen das Papier auf, ganz wie ein ungeduldiges Kind an seinem Geburtstag. Schließlich starrte er ratlos auf die grüne Kladde und den Füllfederhalter, der in einem extra Futteral aus weichem, grauem Wildleder steckte.
»Danke...«, sagte er ein wenig tonlos, möglicherweise auch enttäuscht, »...Aber, wozu...?«
»Ich dachte, vielleicht ist es ganz gut, wenn du etwas hast, wo du alles rein schreiben kannst, was du willst. Nur für dich. Deine Gedanken zum Beispiel, oder deine Wünsche. So wie ein Tagebuch, weißt du... du kannst dann immer wieder nachlesen, was du mal gedacht oder gefühlt hast... dachte ich...« Und mein Zweifel wuchs, ob es eine gute Idee von mir gewesen war.
»Ich hatte noch nie ein Tagebuch...«
»Siehst du, jetzt hast du eins...«
»Danke...«, sagte er noch mal, und ich sah, wie er Mühe hatte, über meine Worte nachzudenken. Die Medikamente schienen ihn dahingehend zu blockieren.
»Bleibt es dabei, dass du nächste Woche raus kommst?«
Er nickte, seinen Blick immer noch auf die Kladde gerichtet. »Am Dienstag... nach der Visite, sagt Dottore Valdena...« Er hob den Kopf und parkte seinen Blick ruhig in meinem Auge. »...Holst du mich ab...?«
»Ja klar, das habe ich dir doch versprochen.« Ein unbefangenes Lächeln meinerseits misslang kläglich, denn was ich sah, in diesem Blick, verunsicherte mich. »...Ich hole dich ab, und ich bin dann auch erst mal da, bis du alles hast, was du brauchst...«
»...Das ist... schön...«
»Was... was machst du so... den ganzen Tag über...«, fragte ich, weil mir nichts besseres einfiel.
»Er macht nichts!«, kam es hinter der Fußballzeitung hervor. »Liegt nur den ganzen Tag in seinem Bett da rum und starrt an die Decke.« Der Alte legte sein Blatt zur Seite, richtete sich auf und sah mich herausfordernd an. »Kriegt aber auch keinen Besuch. Nicht einer, der mal vorbei guckt, wie's ihm geht.«
»Stimmt das? Du starrst nur an die Decke? Brauchst du was zu lesen? Comics oder so...«, fragte ich, den Alten dabei ignorierend. Daniele senkte beschämt den Blick.
»...Oder Musik?«, schoss es mir durch den Kopf »Einen MP 3 Player? Ich könnte dir...«
»Ich brauche wirklich nichts, Luca«, sagte er bestimmt und etwas ungehaltenes blitzte hinten in seinen Pupillen auf.
»Es geht mir gut. Wirklich ...«
»Aber... sollte ich nicht vielleicht...«
»Lass alles, wie es ist!...Bitte...«
Also hörte ich damit auf. Aber ich begann mir wieder mal meine Gedanken zu machen, wie es mit ihm weiter gehen sollte.
·
»Eine stationäre Therapie, wenn es nach mir ginge...«, empfahl Dottore Valdena wenig später und teilte meine Sorge, »...Aber das bekomme ich nicht durch. Dafür bräuchte ich Gutachten, die ich nicht habe. Außerdem wird er sich mit allen Mitteln dagegen widersetzen. Sein Glaube an seine autarke Kraft ist unerschütterlich. Und das ist ein Problem, wenn Sie verstehen...«
»Aber ich kann nicht rund um die Uhr für ihn da sein.« Ich wollte es auch gar nicht.
»Bliebe noch betreutes Wohnen. Aber auch da steht er sich selbst im Wege. Ich glaube kaum, dass ich in der Lage bin, ihn dazu zu bringen, das auch nur in Erwägung zu ziehen«
Es war klar, was er mir damit sagen wollte, und ich versprach ihm, mein Bestes zu geben.
Ich hatte die
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