Der Herzberuehrer
zahlenden Gast, Kleiner. Kümmere dich nicht weiter um mich...«, riet er mir mit einem Blick, den ich nur zu gut kannte. »Tu einfach so, als wäre ich gar nicht da...«
»Wie soll das gehen, alter Mann?«, fragte ich ihn mit einem Lächeln, das so liebevoll rüber kam, wie ich es meinte und dann, mit einem Mal, überschlugen sich meine Gedanken. Matteo war ja noch nie hier oben gewesen. Er kannte das 'Luro' noch gar nicht. Weder Chip, noch die anderen aus der Küche hatte er je gesehen. Er wusste weder von Fabios Existenz noch von meinem Konzept hier oben. Die Andersartigkeit der Berge war ein Buch mit sieben Siegeln für ihn. Matteo war völlig fremd an diesem Ort, und den einzigen, den er außer mir tatsächlich noch kannte, das war Shiro.
»Ich rufe jetzt erst mal Lorenzo an...«, schlug ich vor. »Ich wette mit dir, der steht hier in `ner Stunde vor der Tür...«
»Luca...!« Ich verharrte im Gehen, denn seine Stimme klang mit einem Male deutlich ernster als zuvor, nachdenklicher.
»Ja?«
»Es war zu lange...«, sagte er ruhig, mit einem feinen Lächeln auf den Lippen, und er sah mir dabei fest in mein Auge.
»...Viel zu lange, verstehst du...«
Ich nickte ihm zu, dann machte ich mich auf, um meinen Bruder zu informieren.
Wir hatten einen Grund zu feiern...
·
Es dauerte zwar gute zwei Stunden, bis Lorenzo seinen Wagen auf dem Gelände parkte, doch an seiner Reaktion sah ich, dass er sich beeilt hatte. Er winkte mir zu, umarmte mich fahrig und gab mir einen flüchtigen Kuss, der mich, wie immer, in eine winzige Verwirrung stürzte. Dann sah er fragend aus seinen... ja, unglaublichen Augen in das meine.
»Wo ist er? Und warum ist er eigentlich hier...? Und wie siehst du denn aus?« Ich sah an mir herunter, war noch gar nicht dazu gekommen, mich umzuziehen.
»Frag ihn selbst. Er sitzt in der Küche und unterhält Orlando und Sandra.«
»Ist wirklich alles in... Ordnung...?« Er hatte mich das verständlicherweise schon am Telefon gefragt. Ich versicherte es ihm erneut, und sein Nicken zeigte mir, dass er meinen Worten Glauben schenkte.
»Na, dann...«
Matteo hockte, nahe dem Fenster, auf unserem hölzernen Schemel, drei tönerne Schalen mit kleinen Kostproben vor sich und fachsimpelte. Beschienen wurde das Szenario vom warmen Licht der Mittagssonne, und der Austausch mit Sandra und Orlando fand über das eben Verspeiste statt. Es war ein schönes, ein anheimelndes Bild, das sich uns da bot, als wir die Küche betraten. Die beiden waren restlos fasziniert von meinem Großvater, dem Maître alter Schule. Das konnte man ihnen unschwer ansehen. Dann Matteo selbst, der einen durch und durch gelösten, ja, glücklichen Eindruck machte. Einen, der sich noch einmal deutlich steigerte, als er schließlich Lorenzos Anwesenheit gewahr wurde.
Die Begrüßung der beiden fiel nicht minder herzlich aus, als es bei uns der Fall gewesen war, sah man einmal davon ab, das sich mein Bruder generell zurückhaltender verhielt - mir gegenüber einmal ausgenommen.
Doch die tiefe Bindung, die zwischen den beiden bestand, war für alle im Raum deutlich spürbar.
Später dann, saßen wir im Speisesaal, direkt am Fenster, mit Blick ins Tal und redeten.
Matteo berichtete von den Stimmungsschwankungen an der Hochzeits-Front, von den nervenaufreibenden Debatten, die sich meist um Nichtigkeiten, um eigentlich gar nichts drehten, wie er immer wieder betonte, und er erzählte, welch entsetzliche Reibungen Rebeccas Ankündigung verursacht hatte, nicht im 'D’Agosta', sondern im 'Luro' feiern zu wollen.
»Am schlimmsten war es, dass sich die Frauen einig waren. Damit hätten Antonio, Tomaso und ich nie gerechnet.«
»Auch Giade?«
»Wer spricht von Giade ...«, und es war, als spucke er den Namen vor sich auf den Tisch. Zwar wusste ich, dass sich seine Begeisterung über meine 'Schwägerin' in Grenzen hielt, aber eine solch deutliche Verachtung hatte er bislang noch nicht gezeigt.
»Sie ist der Nagel zu eurer Mutters Sarg...«, polterte er denn auch gleich los. In meiner Fantasie baute sich ein Szenario auf, das vermutlich nicht so weit von der Realität entfernt war. Ein kurzer Blick zu Renzo zeigte mir, dass er ähnlich dachte.
»...Xanthippe im Kostüm einer Heiligen«, schimpfte der Alte weiter.
Bingo!
»Spielt sich auf, als sei sie die Herrin des D’Agosta und seit Rebecca nicht mehr regelmäßig im Haus ist...«
Ich konnte mir lebhaft vorstellen, welche Nummer Giade abzog, wie sie mit der Küchencrew, den Kellnern,
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