Der Herzensbrecher
»Normalerweise stammt das Roastbeef nicht von einer Kuh, sondern von einem Stier. Als Ehefrau eines Rinderzüchters musst du aufpassen, was du sagst. Und ein weibliches Rindvieh wird nur dann Kuh genannt, wenn es zwei Kälber geboren hat.«
»Oh, danke für die Belehrung«, seufzte Heather und nahm am Tisch Platz, während ihre Freundin Fleischscheiben mit Möhren, Kartoffeln und Sauce auf zwei Tellern anrichtete.
»Offenbar war deine erste Begegnung mit Janna ein voller Erfolg.«
»Immerhin hat's so gut geklappt, wie man% erwarten konnte. Für sie bin ich eine Fremde, und es wird eine Weile dauern, bis sie mich akzeptiert.«
»Sobald sie dich besser kennt, wird sie dich lieben. Mit Sloan scheinst du dich auch recht gut zu verstehen.«
Heather runzelte zögernd die Stirn. »Manchmal kann der äußere Schein täuschen.«
»Ja, ich weiß, das Zusammenleben mit den McCord-Männern ist nicht so einfach.«
»Immer wieder schüchtert er mich ein. Und dann fühle ich mich so hilflos. Hättest du mich bloß vor ihm gewarnt!«
»Nun, vielleicht habe ich dir ein bisschen zuviel verschwiegen. Aber der Zweck heiligt die Mittel. Hätte ich dir die ganze Wahrheit anvertraut, wärst du niemals mit ihm vor den Traualtar getreten.«
»Du hättest mir wenigstens sagen müssen, wie schwer es ihm fallen würde, meine Schulden zu bezahlen. Bei unseren Gesprächen hast du den Eindruck erweckt, die Ranch wäre ein profitables Unternehmen.«
»Das war sie auch, bis vor kurzem. Zwanzig Jahre lang hat die Bar M alle anderen Ranches in dieser Gegend übertrumpft. Aber dann sind die Rinderpreise gefallen, und dieser Winter war ziemlich brutal. Wie so viele Rinderzüchter hat Sloan ein Viertel seiner Herde verloren. Und es wird sicher noch ein paarmal schneien.«
Trotz seiner Schwierigkeiten hatte er auch noch Heathers Schulden bezahlt. Sie seufzte tief auf. »Sicher hast du's gut gemeint, Caitlin. Aber ich fürchte, diese Heirat war ein schwerer Fehler.«
»Du bist müde, Liebes. Morgen früh, wenn du lange genug geschlafen hast, wird alles viel besser aussehen. Du wirst dich bald bei uns einleben. Natürlich lässt sich dieses Land nicht mit St. Louis vergleichen. Aber es zieht einen unwiderstehlich in seinen Bann.« Prüfend schaute Caitlin ihre Freundin an. »Das wolltest du doch? Einen neuen Anfang?«
Heather nickte. Zweifellos waren die Verluste des Vaters, seine hohen Schulden und Evan Randolfs beharrliche Heiratsanträge eine starke Belastung gewesen. Ja, sie wollte ein neues Leben beginnen. Aber sie hatte nicht mit den Schwierigkeiten gerechnet, die sie auf dieser Ranch erwarteten. »Ich glaube, ich eigne mich nicht zur Frau eines Rinderzüchters«, gestand sie unglücklich. »Das hat Sloan sofort gemerkt.«
»In absehbarer Zeit wirst du alles lernen, was du wissen musst. Außerdem sollst du dich hauptsächlich um Janna kümmern. Wenn du gut für sie sorgst, wird's ihn nicht interessieren, ob du eine Kuh von einem Stier unterscheiden kannst.«
»Jedenfalls will ich mein Bestes tun, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen und die Schulden zurückzubezahlen. Ich möchte mich niemandem verpflichtet fühlen - und nicht auf Sloans Großzügigkeit angewiesen sein.«
»Was für ein Unsinn! Du bist seine Frau, und Janna braucht dringend eine Mutter. Übrigens, Sloan braucht dich auch - selbst wenn er's noch nicht weiß.«
»Aber er ist so ...« Vergeblich suchte Heather nach den richtigen Worten. So überwältigend, so gefährlich. »... beängstigend«, fügte sie schließlich hinzu. »Und ich habe keine Ahnung, wie ich ihn behandeln soll.«
Caitlin stellte die Teller auf den Herd, um sie warm zu halten und setzte sich an den Tisch. Besorgt ergriff sie Heathers Hände. »Du fürchtest dich doch nicht wirklich vor ihm?«
Doch. Vor der Wirkung, die er auf sie ausübte - vor den Gefühlen, die er weckte, vor den unerfüllten Träumen von Liebe und Zärtlichkeit und Leidenschaft ... Heather lächelte wehmütig. Das alles würde Sloan ihr niemals schenken.
»Sicher, er ist ein schwieriger Mann«, meinte Caitlin mitfühlend. »Manchmal verraten seine Augen Dinge, die man lieber nicht sehen möchte.«
Beklommen nickte Heather. Nur zu gut wusste sie, was ihre Freundin meinte. Die Bitterkeit, die Verzweiflung hinter der kalten Maske ...
»Versuch doch, ihn zu verstehen«, bat Caitlin. An diesem langen, blutigen Weidekrieg hat er mehr gelitten als die meisten anderen
Weitere Kostenlose Bücher