Der Herzensbrecher
dichte Schneewolken auf, dass sie kaum ihre Hand vor den Augen sah. Selbst wenn alle Türen und Fenster geschlossen blieben, war es unmöglich, die Kälte vom Haus fernzuhalten. Sie trug drei Unterhosen und hüllte Janna in einen Anzug, den sie aus einer Wolldecke genäht hatte, mit Fäustlingen und Kapuze.
Nun merkte sie auch, wie schwierig das Leben auf einer Ranch war - und wie einsam. Vor allem in den langen Stunden nach der Abenddämmerung, wenn sie auf Sloans Heimkehr wartete. Nur Janna, ein ungewöhnlich braves, liebenswertes Kind, heiterte sie ein wenig auf, bevor sie müde und verzweifelt ins Bett kroch.
Doch sie beklagte sich nicht. Sloan würde ohnehin kein Mitleid empfinden und ihr womöglich eine Bahnfahrkarte nach St. Louis anbieten.
Außerdem hatte er schon genug Probleme, während er die Herde vor den unkontrollierbaren Naturgewalten zu retten suchte, und er schien auf verlorenem Posten zu kämpfen. Ein- oder zweimal, wenn er spätabends erschöpft nach Hause kam, entdeckte Heather eine gewisse Verletzlichkeit in seinem sonst so ausdruckslosen Gesicht. Wie gern hätte sie ihn getröstet ... Aber ihr Mitgefühl wäre unerwünscht gewesen.
Wehmütig dachte sie an Caitlins Prophezeiung, sie würde Sloan retten. Dazu erhielt sie keine Gelegenheit. Sein schrecklicher Kummer verzehrte ihn. Und er ließ sie nicht nahe genug an sich heran, so dass sie ihm helfen könnte, den Dämonen zu entrinnen, die ihn verfolgten.
Im Lauf der Woche verebbten die Schneefälle. Heather lernte den Vorarbeiter und ein paar Cowboys kennen, auch den Koch namens Cookie, der die Männer auf der Weide verköstigte. Manche wohnten in abgeschiedenen Hütten an den Grenzen der Ranch. Von dort aus patrouillierten sie in den entlegenen Gebieten des Geländes. Die anderen lebten in der Schlafbaracke. Für alle gab es genug zu tun. Täglich mussten sie die Rinder mit Heu versorgen, das Eis über den Wasserlöchern zertrümmern, kranke Kühe und Kälber in den Stall bringen, Korralpfosten und Stacheldrahtzäune reparieren oder Brennholz hacken.
Die Cowboys schienen Heathers Anwesenheit zu begrüßen und halfen ihr, sich einzugewöhnen - vor allen der große, rothaarige Rusty, der Sloans kleine Familie beschützte. An einem Waschtag schleppte er Wassereimer vom Brunnen zur Küche, stellte sie auf die Hinterveranda und bemerkte schüchtern: »Wir sind alle froh, dass Sie da sind, Ma'am. Nachdem Maria ausgezogen ist, hat Janna dringend eine Ma gebraucht.«
»War sie Sloans Haushälterin?«
»Ja, eine Mexikanerin. Nun muss sie sich um ihre Geschwister kümmern. Die Jungs haben Janna abwechselnd betreut. Aber natürlich konnten wir die Hände einer Frau nicht ersetzen.«
»Arbeiten Sie schon lange hier?«
»Seit zehn Jahren. Sloans Pa hat mich aus Texas geholt, als ich noch nicht trocken hinter den Ohren war. Dann starb Ben McCord, Janna kam auf die Welt, und Miss Doe wurde ermordet ...« Abrupt verstummte er, und seine braunen Augen verdunkelten sich.
»Janna ist ein ungewöhnlicher Name, nicht wahr?«
»Eine Kurzform von Aiyanna - ein Cheyenne-Name, der >ewige Blüte< bedeutet. Der Name ihrer Mutter war noch viel schwerer auszusprechen. E-naaotse mehe-vaotseva. Deshalb nannten wir sie nur Miss Doe.«
So mitteilsam war Sloan nicht, was seine Vergangenheit betraf. Aber er hielt sein Wort und zeigte ihr, wie man mit einem Gewehr, einem Revolver und einer Schrotflinte umging. Seit knapp sechs Monaten war die langjährige Fehde zwischen den Rinder- und Schafzüchtern beendet. Trotzdem wollte er kein Risiko eingehen. Außerdem lernte Heather Kühe zu melken und Butter herzustellen. In St. Louis hatte sie zweimal pro Woche einen Milchwagen bestellt. Aber einen solchen Luxus konnte sich die Bar M nicht leisten.
So schwer ihr manche Aufgaben auch fielen, sie nahm alle entschlossen in Angriff, um Sloan zu beweisen, dass sie sich zur Ranchersfrau eignete und keineswegs eine >anspruchsvolle vornehme Dame< war. Obwohl sie kein einziges anerkennendes Wort hörte, glaubte sie doch, er würde sie allmählich - wenn auch widerstrebend - respektieren.
Immer wieder gewann sie den Eindruck, er würde sie mit Sleeping Doe vergleichen. Das glaubte sie zu spüren, wenn er sie mit seinen unergründlichen eisblauen Augen musterte. In seinem Schlafzimmer hatte sie eine Daguerreotypie entdeckt, die ihn mit einer schönen schwarzhaarigen Indianerin zeigte. Auf diesem Bild lächelte er glücklich und
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