Der Herzensbrecher
er sie aber keine Sekunde lang aus den Augen gelassen ...« Richard räusperte sich verlegen. »Aber ich helfe Ihnen natürlich sehr gern. Sobald ich in die Stadt zurückgekehrt bin, werde ich ganz diskrete Erkundigungen einziehen und Sie über die diversen Möglichkeiten informieren.«
»Vielen Dank.«
Bevor er die Ranch verließ, teilte er Heather und Sloan eine Neuigkeit mit, die Sloans Zukunft beeinflussen könnte. »Vielleicht interessiert Sie's, dass Quinn Lovell in einen Skandal verwickelt ist. Angeblich hat er einen Richter vor einem Prozess bestochen, in dem es um irgendwelche Schürfrechte ging. In diesem Fall recherchiere ich gerade, und ich werde in den nächsten Wochen in meiner Zeitung darüber berichten.«
Wie Heather wusste, bestach Lovell gewisse Leute nicht nur >angeblich<. Wenn er als der skrupellose Mann entlarvt wurde, der er war, würden Sloans Chancen bei der Wahl steigen.
In dieser Hinsicht war Sloan nicht so optimistisch. Seit Jahrzehnten gehörten Bestechung, Nötigung und sogar Mord zum politischen Stil des Distrikts und würden kaum jemanden beeindrucken. Höflich, aber kühl dankte er Richard für die Information. Der Besuch des attraktiven Reporters, der Heather etwas, zuviel Aufmerksamkeit schenkte, missfiel ihm gründlich.
Am Tag nach Richards Abreise verlor Sloan dann auch prompt die Selbstkontrolle, der er sich ohnehin nur mühsam unterwarf.
Als er am Nachmittag nach Hause kam, traf er Heather und Vernon im Arbeitszimmer an, wo sie sich lachend über ein Buch beugten.
Seine Eifersucht war völlig unbegründet. Das wusste er. Heather genoss einfach nur ihre intellektuellen Gespräche mit dem Schullehrer, während sie auf die meisten anderen Interessen verzichtete, die ihr früheres Leben bestimmt hatten. Trotzdem störte es ihn, sie so fröhlich zu sehen, in eine angeregte Diskussion vertieft. Wenn sie jetzt mit ihm zusammen war, brachte sie kaum ein Wort hervor, solange es nicht um Janna, die Ranch oder den Wahlkampf ging.
Er bezwang den Impuls, den Lehrer hinauszuwerfen, und, wartete ungeduldig, bis der Mann endlich das Haus verließ. Dann setzte er sich neben Heather, die immer noch in ihrem Buch blätterte, auf das Sofa. »Was hat dich denn so amüsiert?«
»Eine Novelle von einem humoristischen Schriftsteller namens Mark Twain, der Abenteuer eines jungen am Mississippi schildert. Vor ein paar Jahren wurde diese Geschichte zum ersten Mal veröffentlicht, und ich habe sie schon damals gelesen, aber inzwischen vergessen, wie unterhaltsam sie ist. Vielleicht würde sie dir auch gefallen.«
»Ich kenne sie.« Als sie ihn erstaunt anstarrte, fügte er trocken hinzu: »Wenn's auch unglaublich klingt, ich kann lesen. Leider finde ich nur selten Zeit dazu.«
»Natürlich wollte ich nicht andeuten, du wärst ein Analphabet«, versicherte sie und errötete. Als er eine Tasse vom Silbertablett nahm, das seiner Mutter gehört hatte, erklärte sie hastig: »Das ist Tee - nicht Kaffee.«
»Trotzdem will ich dieses edle Getränk mal kosten.«
»Soll ich frischen Tee aufbrühen?« Sie wollte aufstehen, aber Sloan legte eine Hand auf ihr Knie.
Zum ersten Mal seit ihrem Streit erlaubte sie ihm, sie zu berühren. Darin sah er ein gutes Zeichen. Aber er durfte nichts überstürzen. Er nippte an seinem Tee und beobachtete Heather, die weiter in ihrem Buch las. Warum konnte er sie niemals betrachten, ohne sie zu begehren?
Wann sich irgendetwas in der Atmosphäre geändert hatte, wusste er später nicht. Heather hob den Kopf, und als sich ihre Blicke trafen, schienen sich die Verzweiflung, der Zorn und der Herzenskummer zu verflüchtigen.
Zum zweiten Mal innerhalb einer Stunde brach er sein Wort - aber er musste sie einfach berühren. Langsam stellte er die Tasse aufs Tablett, wagte kaum zu atmen und strich behutsam über Heathers Haar. Sie wich nicht zurück. Aber sie flüsterte: »Jetzt muss ich Janna wecken. Wenn sie nachmittags so lange schläft, ist sie abends nicht müde.«
»Janna kann warten.« Unendlich sanft zeichneten seine Fingerspitzen die Konturen ihres Gesichts nach. Dann ergriff er ihre Hand und drückte sie an seine Wange.
Heather zeigte noch immer keine Reaktion, versuchte aber, den wohligen Schauer nicht zuzulassen. Erst als er seine Lippen auf die Innenseite ihres Handgelenks presste, wurde ihr bewußt, dass sie protestieren müsste. Diesen Moment hatte sie gefürchtet - ihre mangelnde Willenskraft. Unvermittelt
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