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Der Herzog und seine geliebte Feindin

Der Herzog und seine geliebte Feindin

Titel: Der Herzog und seine geliebte Feindin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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am Ende die Oberhand gewann, war eine erstaunliche Ruhe – als habe er sich durch einen Sandsturm gekämpft, der allen Überschwang fortgescheuert hatte, das unzuverlässige Fleisch der Gefühle, und nur das Gerippe übrig gelassen. Knochen sehnten sich nicht. Knochen hatten keine Wünsche. Gott sei Dank.
    Er verspürte nicht das geringste bisschen Ärger, als er seinen Dienern auftrug, ihm ein Pferd satteln und vor die Tür bringen zu lassen. Die Straße zum Hof ihrer Großtanten war lang, aber er empfand keine Verärgerung über die Minuten, die verstrichen. Er fühlte einfach gar nichts.
    Er fühlte auch nichts, als er die Zügel seines Pferdes um einen Pfahl vor dem Haus schlang. Kein Zucken in seiner Brust, als er an die Tür klopfte. Es schien, als sei er in einen dämpfenden Kokon aus Watte gehüllt, als sei die Welt um ihn herum stumm geworden. Die Tür öffnete sich lautlos, und er konnte sich selbst kaum hören, als er darum bat, sie zu sehen.
    Der Empfangssalon, in den er geführt wurde, hätte ebenso gut vollkommen ohne Möbel sein können, so viel nahm er davon wahr. Er setzte sich nicht. Er schaute sich nicht um. Er wartete einfach nur, wusste, was kommen könnte.
    Sie öffnete die Tür.
    Vielleicht hatte er tief innerlich befürchtet, dass, wenn er Minnie wieder sah, er so von Gefühlen überwältigt würde, dass er ihr verzieh, was sie getan hatte. Er hatte sich ein Bild von ihr ausgemalt, basierend auf Sachen, die sie so nicht gesagt hatte, Worte, die sie nie ausgesprochen hatte, bis er sich eingebildet hatte, in eine Frau verliebt zu sein, die es so gar nicht gab. Aber als sie hereinkam, fühlte er nichts.
    Sie war klein und dünn und schien sich ganz in sich zurückgezogen zu haben. Aller Zauber hatte sie verlassen. Er spürte nichts als einen dumpfen Schmerz, wo einst sie gewesen war.
    Er war sicher. Gütiger Himmel. Sicher vor sich selbst.
    „Euer Gnaden“, sagte sie schlicht.
    Er neigte seinen Kopf.
    Es war das erste Mal in ihrer ganzen Bekanntschaft, dass sie ihn wie einen Herzog behandelte. Und es war das erste Mal, dass er wie ein Herzog behandelt werden wollte. Herzöge mussten nichts erklären. Sie mussten nicht betteln. Sie taten es einfach, und niemand hinterfragte jemals ihr Tun.
    „Sie müssen wissen, warum ich hier bin“, sagte er.
    Sie neigte den Kopf. Vage nahm er wahr, wie elend sie aussah. Unter ihren Augen waren dunkle Schatten. Und das Licht, das er in ihnen gesehen hatte – dieses wunderschöne Licht, das den ganzen Raum zu füllen schien – war verloschen.
    Es kümmerte ihn nicht. Ihn kümmerte überhaupt nichts mehr.
    „Euer Gnaden, ich schulde Ihnen eine Erklärung.“
    „Ich will keine Entschuldigung.“ Eis hörte nicht zu.
    „Aber …“
    „Es ist mir völlig gleich, warum Sie es getan haben“, erklärte er. Seine Worte klangen irgendwie hohl und abgehackt. „Es ist mir egal, wie viel meine Mutter Ihnen gezahlt hat. Sie interessieren mich überhaupt nicht.“
    Sie zuckte zusammen wie unter einem Schlag. „Dann lassen Sie sich von mir versichern …“
    „Ich verspüre noch weniger den Wunsch nach Ihren Versicherungen.“ Nicht, fiel ihm auf, dass sie ihm jemals welche gegeben hätte. Er war derjenige gewesen, der sie gegeben hatte. Er hatte sich selbst getäuscht, indem er sich einredete, wenn sie ihn erst einmal kennen würde, wenn er ihr nur erklären konnte, dass sie vielleicht … was?
    Dass er ihr etwas bedeutete, ihr ebenfalls etwas an ihm liegen könnte. Nur ein bisschen. Sie hatte gewusst, wer er war, was er wollte. Er hatte ihr seine Träume anvertraut, seine geheimen Wünsche. Er hatte ihr alles geboten.
    Und es war nicht genug gewesen. Er war nicht genug gewesen.
    Wieder einmal seine Selbsttäuschungen. Sein närrischer Tagtraum, um jemanden errichtet, der ihn kaum wahrnahm.
    Der Unterschied bestand dieses Mal darin, dass es nicht er sein würde, der jemanden weggehen sah. Er würde es nicht sein, der hoffnungslos auf Briefe wartete, die niemals kommen würden.
    Er zwang sich, gleichmäßig zu atmen, bis das Gefühl benommener Ruhe zurückkehrte. In Baumwolle gehüllt? Nein, Watte war zu leicht, um ihn zu halten. Er war in Sand vergraben, jedes einzelne Sandkorn ein Gewicht auf seiner Brust, so schwer, dass alle anderen Gefühle ausgeblendet waren. Er verspürte nichts, und das gefiel ihm.
    Sie musste etwas von dem, was er nicht fühlte, über sein Gesicht huschen gesehen haben, weil sie den Kopf neigte. „Es tut mir so leid, Euer

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