Der Hexenturm: Roman (German Edition)
schneller vorbeigeht. Bitte, gebt acht auf euch.«
»Ich erlaube Euch nicht fortzugehen«, sagte Königsdorfer gereizt. »Ihr müsst heute eine weitere Frau befragen.«
»Ja, das weiß ich«, antwortete Barnabas ruhig. »Aber ich muss zuerst einen neuen Trank brauen, den ich für die Befragung benötige.«
»Was ist das für ein Sud?«, fragte Königsdorfer neugierig.
»Glaubt Ihr wirklich, dass ein Zauberer seine Geheimnisse preisgibt?«, höhnte Barnabas.
»Es ist mir im Grunde auch einerlei, was Ihr den Maleficantinnen einflößt! Ich will jedoch, dass die Frau heute noch gesteht. Wenn Ihr sie nicht dazu bringen könnt, so werden es meine Schergen auf altbewährte Weise machen«, drohte der Amtmann und blickte den Magier herausfordernd an.
»Ihr wisst, dass Ihr Maria und mich dann trotzdem bezahlen müsst, auch wenn Eure Henkersknechte unsere Arbeit übernehmen.«
Königsdorfer wollte aufbegehren, aber Barnabas lächelte spöttisch. »So lautet unsere Vereinbarung! Maria und ich sollten ausdrücklich diese Angeklagte überführen. Aber mir ist es einerlei! Lasst Eure Henkersknechte ruhig unsere Arbeit verrichten, der Sold steht dennoch uns zu.«
Königsdorfer atmete schnaubend aus. »Wie lange wird es dauern, bis Ihr den neuen Sud hergestellt habt?«, fragte er spitz.
»Man kann diese seltene Pflanze nur in der Nacht ernten. Sie wächst in feuchten Auen auf besonderen Böden, die es um Püttlingen nicht gibt. Ich habe gehört, dass die Pflanze zwischen Schwarzenholz und Wellingen wachsen soll. Wenn ich mich sofort auf den Weg mache, könnte ich in zwei Tagen zurück sein und das Gebräu herstellen«, log Barnabas.
»Zwei Tage?«, brüllte Königsdorfer. »Die Frau soll rasch überführt werden. Johann von Baßy sitzt mir im Nacken. Er will dieses Weib schnellstmöglich auf dem Scheiterhaufen sehen. Mir bleibt keine andere Wahl. Ich werde sie foltern lassen müssen.«
Barnabas ahnte, von welchem Weib Königsdorfer sprach. Sein Magen krampfte sich zusammen. »Glaubt Ihr nicht, Herr Amtmann, dass es für Eure Widersacher überzeugender wäre, wenn Ihr mich meine Arbeit fortsetzen ließet? Erst gestern, als die junge Margreth Diehlen zum Scheiterhaufen geführt wurde, habe ich im Volk Worte der Anerkennung vernommen, weil Maria sie überführt hat und bezeugen konnte, dass sie am Hexensabbat zugegen war.«
Königsdorfer überlegte und fragte erneut: »Wie lange werdet Ihr benötigen?«
»Zwei, höchstens drei Tage. Ihr habt mein Wort!«
Zufrieden kehrte Barnabas in seine Kammer zurück, wo Burghard und Maria auf ihn warteten. Als der Magier die Tür öffnete, erklang fröhliches Kinderlachen. Burghard erzählte Maria eine Geschichte, die ihr Freude zu machen schien. Kichernd lag das Mädchen auf dem Boden, während Burghard mit verstellter Stimme verschiedene Rollen einnahm und eine besonders lustige Szene zum Besten zu geben schien.
Als Burghard Barnabas gewahr wurde, hielt er inne und fragte: »Konntest du ihn überzeugen?«
Der Magier nickte. »Jetzt hast du zwei Tage Zeit, mich zu überzeugen!«
Franziska hatte sich Magdalena in einem Tuch vor den Bauch gebunden und ging mit ihr auf einem schmalen Pfad durch Wiesen und Felder. Nachdem tagelang schlechtes Wetter geherrscht hatte, genossen beide die Wärme der Sonne, die den Boden trocknete. Magdalena quiekte vor Freude, als sie einen Schmetterling erblickte. Franziska freute sich, dass es ihrer Tochter gut ging, doch ihr selbst war es schwer ums Herz. Ständig musste sie an Katharina denken und hatte große Angst um sie.
Plötzlich sah Franziska, wie ihnen über das freie Feld vor ihr ein Reiter entgegengaloppiert kam. Sie hoffte schon, es wäre Johann. Doch als der Reiter kurz vor ihr sein Pferd zügelte und es im Schritt an ihr vorbeiführte, sah sie, dass sie sich geirrt hatte. Der Fremde blickte die junge Frau forschend an. Obwohl Franziska den Mann nicht kannte, grüßte sie höflich und ging weiter. Sie sah sich kurz darauf noch einmal nach ihm um, denn bei seinem Anblick hatte sie ein ungutes Gefühl beschlichen. Der Reiter aber war schon im Dorf verschwunden. »Ich mache mir unnötige Gedanken«, murmelte sie. »Die Sache mit Katharina raubt mir noch den Verstand.«
Leichtfüßig ging sie weiter und folgte dem Lauf des Hessbachs. Die heftigen Regenfälle hatten den Bach hoch anschwellen lassen. Laut strömte das Wasser in seinem Bett dahin. Als Magdalena nach einer Weile zu quengeln begann, setzte sich Franziska am Ufer des
Weitere Kostenlose Bücher