Der Hexenturm: Roman (German Edition)
und er auch kein bestimmtes Ziel hatte, folgte er weiter der Straße.
Außerhalb des Örtchens Nenderoth wehte ihm der Duft von frisch gebackenem Brot entgegen. Hungrig schnupperte er, und schon bald sah er eine Mühle am Wegesrand stehen. Aus dem Schornstein des Backhauses, das ein Stück unterhalb der Mühle stand, stieg heller Qualm auf. Als Hastenteufel am Mühlenteich einen kleinen Jungen sitzen sah, lenkte er sein Pferd zu ihm. Der Knabe schien mit sich selbst zu sprechen und bemerkte den Reiter nicht.
»He, Bursche!«, rief Hastenteufel ihm zu.
Erschrocken blickte der Junge auf und versteckte seine Hand hinter seinem Rücken. Neugierig fragte Hastenteufel: »Was hältst du denn in deiner Hand versteckt?«
Der Knabe schien zu überlegen. Dann schaute er sich nach allen Seiten um und fragte leise: »Soll ich dir das Wetter vorhersagen?« Hastenteufel konnte sich ein Lachen kaum verkneifen. »Bist du ein Wettermann?« Eifrig nickte der Junge, stand auf und kam auf den Reiter zu. Mit leuchtenden Augen streckte er ihm seine Hand entgegen, in der er einen Frosch hielt.
»Was hat ein Frosch mit dem Wetter zu tun?«
»Ein Zauberer hat es mich gelehrt«, antwortete der Junge voller Stolz und flüsterte: »Es kostet nur einen Kreuzer!« Zweifelnd sagte Hastenteufel: »Das ist alles Unfug.«
»Das stimmt nicht!«, ereiferte sich der Junge. »Meine Freundin, die Katharina, glaubt das auch.«
»Ach? Und wo ist deine Freundin?«
»Sie ist mit ihren Freunden weitergezogen! Ich habe ihr einen Frosch geschenkt, damit er ihnen das Wetter vorhersagen kann, und den hat sie mitgenommen.«
Hastenteufel war hellhörig geworden und stieg vom Pferd. Er bückte sich zu dem Knaben und fragte freundlich: »Sind sie schon lange fort?«
Der Junge nickte.
»Weißt du, wie Katharinas Freunde heißen?«
Misstrauisch blickte der Kleine ihn an. »Warum willst du das wissen?«
Hastenteufel überlegte kurz. Er konnte dem Jungen wohl schlecht die Wahrheit sagen, und eine plausible Ausrede fiel ihm nicht ein. Deshalb versuchte er ihn mit Geld zu locken.
»Ich gebe dir einen Kreuzer, wenn du mir ihre Namen verrätst.« Voller Freude weiteten sich die Augen des Jungen, und er nickte. Hastenteufel gab ihm die Münze, und sogleich nannte er die Namen.
»Wie sah Clemens aus?«
»Komisch!«, erklärte der Junge. Langsam wurde Hastenteufel ungeduldig, aber er versuchte sich zu beherrschen und fragte freundlich weiter: »Was meinst du mit komisch?«
Der Junge schien zu überlegen. »Seine Haare waren nicht mehr da. Aber er hatte keine Glatze. Und sein Gesicht sah aus wie ein verschrumpelter Apfel. Aber nur auf der einen Seite.«
Sollte ich tatsächlich so viel Glück haben?, frohlockte Hastenteufel in Gedanken. »In welche Richtung sind sie gegangen?«
Der Junge wies die Straße entlang.
»Achim!«, rief eine Frau, die ihren Kopf aus der Tür des Backhauses streckte.
Erschrocken versteckte der Junge erneut seine Hand hinter seinem Rücken. Die Frau kam auf ihn zu und sah den Fremden fragend an. Hastenteufel grüßte höflich und sagte: »Der Geruch von frisch gebackenem Brot hat mich zu Euch geführt. Wäre es möglich, Euch einen Laib abzukaufen?«
Als die Frau zögerte, zog er ein Geldstück aus dem Beutel und streckte es ihr entgegen. Hastig griff sie danach und sagte: »Wartet!« An ihren Sohn gewandt schimpfte sie: »Und du setz den Frosch zurück in den Teich!«
Dann eilte sie ins Backhaus und kam kurze Zeit später mit einem Laib Brot zurück.
Hastenteufel nahm ihn dankend entgegen, verabschiedete sich und ritt den Weg entlang, den der Junge ihm gewiesen hatte.
Während sein Pferd die Straße entlangschritt, schnitt Hastenteufel sich mit seinem Messer eine Scheibe Brot ab. Während er kaute, stahl sich plötzlich ein Lachen aus seiner Kehle, so dass er sich beinahe verschluckte.
»Die Wege des Herrn sind unergründlich!« Hastenteufel schluckte das Brot hinunter und lachte dann so herzhaft, dass ihm die Tränen kamen.
Seine Freude über so viel unverhofftes Glück wurde jedoch bald von fürchterlichen Rückenschmerzen getrübt. Immer wieder fasste sich Hastenteufel an die Seite und versuchte sich auf dem Sattel zu strecken und zu drehen, was den Schmerz aber nur noch verschlimmerte. Zeitweise musste er absitzen und zu Fuß weitergehen. Da er jetzt wusste, in welche Richtung Clemens unterwegs war, hatte er keine Eile.
Hastenteufel durchquerte kleine Häuseransiedlungen, in denen es nicht einmal ein Gasthaus
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