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Der Hexenturm: Roman (German Edition)

Der Hexenturm: Roman (German Edition)

Titel: Der Hexenturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deana Zinßmeister
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Gebrauchsgegenstände türmten, selbst zu der vorgerückten Stunde kauffreudige Menschen anzogen. Auch um die Marktschreier scharten sich die Leute, um vergnügt zuzuhören, wie die Männer lautstark versuchten sich gegenseitig zu übertönen, indem sie schreiend ihre Köstlichkeiten wie kandierte Früchte, Honig, Wurstspezialitäten, lebende Karpfen oder geräucherte Forellen anpriesen. An anderer Stelle füllten Weinhändler von der Mosel, die selbst schon in weinseliger Laune waren, die Krüge der durstigen Besucher. Hastenteufel lief bei dem reichhaltigen Angebot das Wasser im Munde zusammen.
    Neugierig wanderte er von Platz zu Platz und von einer verwinkelten Gasse zur nächsten, bis er in der Nähe des Domplatzes auf eine Gruppe grell geschminkter Schauspieler aufmerksam wurde. Neugierig reihte er sich in die Zuschauermenge ein und lauschte der Theatergruppe, die eine Komödie aufführte. Vergnügt beobachtete er, wie Gaukler und Jongleure den Anwesenden das Geld aus der Tasche lockten.
    Nachdem das Schauspiel beendet war, zog ihn die Menschenmenge mit sich. An einem Stand, an dem eine Sau am Spieß gegrillt wurde, suchte er sich einen Platz und bestellte ein großes Stück Braten sowie einen Krug frisch gebrautes Bier. Als das Marktweib ihm das Essen brachte, fragte er sie: »Sagt, schöne Frau, was ist der Anlass für das bunte Treiben in Eurer Stadt?«
    Lachend erklärte sie: »Wir feiern jedes Jahr am 16. Oktober das Fest des heiligen Gallus.«
    Er blickte sie fragend an. Sie zuckte mit den Schultern und meinte: »Ich weiß auch nicht, was das für ein Heiliger war. Dank ihm wird der Gallusmarkt seit vielen hundert Jahren in Wetzlar abgehalten, was uns zusätzliche Einnahmen beschert. Wie Ihr seht, sind die Leute gut gelaunt, und das Geld sitzt ihnen locker. Nur das zählt!«, fügte sie mit einem Augenzwinkern hinzu.
    »Ja«, maulte Hastenteufels Sitznachbar, »wir aber müssen dafür bluten. Im Städtischen Kaufhaus von Wetzlar wurde unsere Ware gewogen, gemessen und versteuert. Ich kann dir sagen, Fremder, solch ein Loch hat das in meine Geldbörse gebrannt!« Der Mann machte eine ausschweifende Handbewegung, um ihm die Größe des Lochs aufzuzeigen.
    »Ach, Ihr Armer!«, tröstete das Marktweib den Händler lachend. »Ihr habt den Verlust sicher auf den Preis geschlagen!« Das gespielt verkniffene Gesicht des ertappten Mannes brachte nun auch die anderen zum Lachen, und Hastenteufel stimmte mit ein. Welch ein schöner Abend!, dachte er und genoss den Braten.
     
    Nachdem Hastenteufel gesättigt war, fragte er den Mann neben sich: »Kannst du mir sagen, wo ich hier ein anständiges Nachtlager bekommen kann?«
    »Ich bin ebenfalls fremd hier, aber ich habe ein Zimmer im Gasthaus ›Zum goldenen Löwen‹ gemietet. Es ist in der Krämergasse in der Nähe des Doms. Eins kann ich dir versprechen, auch du wirst bluten müssen. Alles ist an diesen Jahrmarktstagen teuer. Ich meine damit wirklich alles!« Verschmitzt zwinkerte er Hastenteufel zu.
    Dieser bedankte sich grinsend und ging, um sich ein Zimmer für die Nacht zu suchen.

     
    Unausgeschlafen verließ Adam Hastenteufel am nächsten Tag die Stadt Wetzlar.
    Wie der Händler ihm prophezeit hatte, war das Gasthauszimmer ebenso überteuert gewesen wie andere Dienste, die Hastenteufel in dieser Nacht vergeblich suchte. Zwar war sein Geldbeutel mit Münzen reichlich gefüllt, da Wilhelm Münzbacher ihn großzügig entlohnt hatte. Aber da er nicht wusste, wie lange er seinem Opfer noch folgen musste, wollte er nicht verschwenderisch sein.
     
    »Verdammt!«, schimpfte Hastenteufel und streckte sich. Er hatte vor lauter Wut über die Preise im Stall bei seinem Gaul geschlafen. Nun schmerzte ihn das Kreuz. »Selbst der Preis der Huren war unverschämt.« Zwar hätte er eine zahnlose Alte für wenig Geld haben können, aber bei deren Anblick war ihm jegliche Lust vergangen. Sein Vorhaben, sich in Wetzlar etwas Gutes zu gönnen, war kläglich gescheitert. »Das einzig Gute war die Sau am Spieß«, scherzte er verbittert, konnte jedoch auch darüber nicht recht lachen.
    Gemächlich trottete sein Pferd die Straße entlang. Anhand des Sonnenstandes wusste Hastenteufel, dass er in Richtung Westen unterwegs war. Er drehte sich im Sattel um und entdeckte dabei eine Burg hoch über Wetzlar liegend. Die hatte ich gestern, als ich über die Lahnbrücke durchs Tor geritten bin, gar nicht bemerkt, stellte er überrascht fest. Da er nirgends einen Wegweiser erkennen konnte

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