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Der Hexenturm: Roman (German Edition)

Der Hexenturm: Roman (German Edition)

Titel: Der Hexenturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deana Zinßmeister
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und packte ihn am Arm. »Willst du mir freche Widerworte geben? Verschwinde«, zischte er. Widerwillig stolperte Servatius auf einen Acker zu, der neben den Rebstockreihen lag.
    Barnabas kniete sich erneut zu dem Kind ins Gras und bat die Mutter, das Kleidchen zu heben.
    Seine Vermutung bestätigte sich. Ebenso wie Kopf und Gesicht war auch der Schoß des Kindes mit kleinen Pickeln und Pusteln übersät, in denen eine durchsichtige bis gelbe Flüssigkeit zu erkennen war. Andere Bläschen waren geplatzt und hatten eine honiggelbe bis bräunliche Kruste. Die Haut darum war stark gerötet.
    »Dein Kind hat Grindflechten!«, erklärte Barnabas der Mutter leise. »Lass es nicht in die Nähe von anderen Kindern, denn die Krankheit ist tatsächlich ansteckend!« Erschrocken weiteten sich die Augen der Mutter. Barnabas beruhigte sie. »Allerdings ist sie keine Gefahr für Erwachsene. Ich werde dir sagen, wie die Kleine gesund wird: Nimm ein Stück von der Faulbaumschale und koche sie in einem Schoppen Weißwein. Anschließend gib so viel Schmalz dazu, wie ein Ei groß ist. Füge außerdem eine Handvoll Salz hinzu. Lass alles auf ein Viertel einkochen. An zwei aufeinanderfolgenden Abenden und am warmen Ofen reibe dein Kind am ganzen Leib damit ein und lass es gut einziehen. Es wird seine Wirkung nicht verfehlen«, versprach Barnabas.
    Obwohl die Frau erleichtert schien, war die Furcht aus ihrem Blick nicht verschwunden. Nachdem sie ihr Kind hochgehoben hatte, hielt sie Barnabas ihr erspartes Geld hin. Der Magier wies die Münzen zurück und sagte: »Kauf dafür die Zutaten, die ich dir genannt habe, sowie einen Laib Brot für euch.«
    Ungläubig schaute sie auf. Als sie den sanften Blick des fremden Mannes sah, lächelte sie ihn befreit an.
    »Danke«, stammelte sie glücklich und lief zurück zu ihrem Mann, der in der Nähe Reben las und die Untersuchung seines Kindes aus der Ferne beobachtet hatte.
     
    Wütend stapfte Servatius auf den Magier zu und schimpfte: »Was soll das? Wenn du Almosen verteilst, nagen wir bald selbst am Hungertuch!«
    Barnabas hörte dem Mönch nicht zu, sondern ging zufrieden des Weges. Bevor er den Weinberg verließ, fragte er einen Rebenleser, der gerade seinen mit Früchten gefüllten Korb in ein Fuhrwerk entleerte: »Kannst du mir sagen, wo in Trier die Gerichtsverhandlungen und die Hinrichtungen stattfinden?«
    Der Bauer stutzte bei dieser Frage zuerst, dann antwortete er: »Die Verurteilten werden in Euren hingerichtet«, und wies mit dem Finger in westliche Richtung. »Siehst du die Dächer rechts neben der Römerbrücke? Das ist Euren, wo die Thingstätte liegt.«
    Barnabas blickte ihn fragend an. Der Weinbauer verstand sofort und erklärte: »Die Thingstätte ist der Gerichtsplatz, wo sich auch der Galgen befindet.«
    »Ich muss nicht über die Brücke in die Stadt hineingehen?«
    Der Bauer schüttelte den Kopf. »Nein, die Thingstätte liegt auf dieser Seite der Mosel.«
    »Es wäre auch nicht angebracht, die Hexen inmitten einer großen Stadt zu verbrennen, wo Funkenflug die eng zusammenstehenden Häuser entfachen könnte«, sagte Barnabas leise zu sich selbst. Der Bauer hielt in seiner Arbeit inne und fragte erschrocken: »Welche Hexen sollen in Euren verbrannt werden?«
    »Die überführten Hexen«, antwortete Servatius.
    »Wir haben keine Hexen in Euren, Trier oder sonst wo in der Gegend!«, erklärte der Mann mit energischer Stimme. »Überall gibt es Hexen!«, ereiferte sich Servatius. »Ich rate dir, vorsichtig mit dem zu sein, was du sagst, denn wir sind fähig, Hexen zu erkennen«, warnte der Mönch den Rebenleser mit schneidender Stimme. Zuerst wirkte der Mann entsetzt, dann wurde er wütend, und schließlich schrie er so laut, dass die übrigen Weinbergarbeiter zusammenliefen: »Ich bin nur ein einfacher Mann, aber drohe mir nicht, Mönchlein! Wir Trierer wissen, was es heißt, wenn die Scheiterhaufen brennen. Ich habe heute noch den Geruch von den brennenden Reisighütten, in denen die Verurteilten an einem Pfahl angebunden waren, in der Nase.«
    »Sie wurden bei lebendigem Leib verbrannt?«, fragte Servatius heiser.
    »Bist du von Sinnen?«, rief einer. »Der Henker hat sie vorher geköpft oder erdrosselt.«
    »Wir sind froh, dass keine Scheiterhaufen mehr in Euren brennen müssen, und so soll es auch bleiben!«, sagte der Rebenleser und blickte Servatius böse an. Die Männer kamen immer näher, bis sie ihn umzingelt hatten. Da Barnabas bis jetzt keinen Ton gesagt hatte,

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