Der Hexer - NR08 - Im Bann des Puppenmachers
verließen wir den Gang und traten in einen weiteren, nur schwach beleuchteten Korridor hinaus. Eine Treppe führte an seinem jenseitigen Ende in die Höhe. Der Templer deutete schweigend mit dem Schwert hinauf, und wir gingen weiter.
Am oberen Ende der Treppe befand sich eine einzelne, nur angelehnte Tür. Flackerndes elektrisches Licht drang durch ihre Ritzen, und als ich hinter Balestrano hindurchtrat, bot sich mir ein Anblick, der mir im wahrsten Sinne des Wortes den Atem stocken ließ.
Wir standen auf einer schmalen, von einem brusthohen Geländer gesicherten Galerie, unter der sich ein gewaltiger, rechteckiger Saal ausdehnte. Eine Unzahl elektrisch betriebener Kronleuchter, deren Birnen bei jedem Blitz, der draußen niederzuckte, hektisch zu flackern begannen, beleuchtete eine bizarre Szene:
Der Fußboden der Halle war mit gewaltigen schwarzen und weißen Fliesen ausgelegt. Fliesen, deren Muster ein übergroßes Schachbrett bildeten. Ein Feld, auf dem die grausamste Parodie dieses Spiels der Könige ablief, die man sich nur denken konnte.
Die meisten Figuren waren bereits ausgeschieden und lagen zermalmt und teilweise bis zur Unkenntlichkeit zerstört am Rande des Spielfeldes; ein gewaltiger, Haufen ineinandergeknoteter metallener Leiber und Glieder. Fünf der sieben Figuren, die noch auf dem Feld standen, waren Maschinen. Schreckliche, ins Riesenhafte vergrößerte Karikaturen von Schachfiguren, deren bloßer Anblick mir einen eisigen Schauer über den Rücken jagte. Die beiden Könige waren zweieinhalb Meter hohe Giganten, die nur aus Stacheln und reißenden Klingen zu bestehen schienen und in unheimlichem elektrischem Licht glühten. Die zwei Springer waren riesenhafte, gräßlich verzerrte Pferdeköpfe auf einem metallenen Torso, und die Dame, die neben dem weißen König stand, ähnelte jenem geschmackvollen Folterinstrument, das ich unter dem Namen Eiserne Jungfrau kannte – nur daß ihre Stacheln nach außen gekehrt waren.
Die beiden letzten Figuren schließlich waren Menschen. Es dauerte einen Moment, bis ich den einen von ihnen erkannte, denn das Licht flackerte ununterbrochen und tauchte das Spielfeld in verwirrende Muster.
»Howard!« keuchte ich. »Um Gottes willen – das ist Howard!«
Instinktiv wollte ich loslaufen, aber Looskamp ergriff mich beim Arm und zerrte mich so heftig zurück, daß ich vor Schmerz aufstöhnte. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie zwei der Templer ihre Schwerter zogen und die Waffen drohend auf Rowlf richteten.
Die zweite Gestalt unten auf dem Spielfeld sah auf, als sie meine Stimme hörte. Für einen Moment begegnete ich dem Blick zweier dunkler, stechender Augen, dann wandte der Mann den Kopf, sah Balestrano an und nickte knapp. »Bruder Jean.«
»Was bedeutet das?« fragte Balestrano scharf. »Was soll das alles, Sarim? Rede!«
»Ich führe nur Euren Befehl aus, Bruder«, erwiderte Sarim de Laurec. Seine Stimme klang spöttisch. »Die Exekution des Verräters Lovecraft.«
»Ich gab dir den Auftrag, ihn zu töten«, sagte Balestrano zornig. »Nicht, ihn zu Tode zu foltern.«
»Wer spricht hier von Folter?« sagte de Laurec lächelnd. »Bruder Howard ist aus freien Stücken hier – fragt ihn selbst.«
»Stimmt das?« fragte Balestrano.
Howard hob mühsam den Kopf. Er hockte auf den Knien und schien kaum noch die Kraft zu haben, sich zu bewegen, und als er sich zu der Galerie umwandte, auf der wir standen, sah ich, daß seine Kleider blutig waren. Aus seiner rechten Schulter ragte etwas, das aus der Entfernung wie ein abgebrochener Degen aussah. Sein Gesicht war eine Maske der Pein.
Ich stöhnte vor Zorn und stemmte mich instinktiv gegen Looskamps Griff. Die Finger des Flamen suchten eine bestimmte Stelle an meinem Hals und drückten kurz und warnend zu. Mein Widerstand erlahmte. Ich kannte diesen Griff.
»Er hat recht, Jean«, stöhnte Howard. »Misch dich nicht ein. Es... es ist mein freier Wille.«
»Howard!« brüllte ich. »Was soll das heißen? Was geschieht hier?«
Howard sah auf, als würde er mich erst jetzt erkennen. Ein mattes Lächeln huschte über seine Züge und verschwand wieder unter dem Ausdruck von Qual. »Misch dich nicht ein, Robert«, flüsterte er. »Was hier geschieht, geht dich nichts an.«
Einen Moment lang starrte ich ihn an, dann befreite ich mich – ganz langsam, um ihn nicht zu einer Unbesonnenheit zu verleiten – aus Looskamps Griff, trat vollends an die Brüstung heran und starrte auf den dunkelhäutigen Mann herab, der
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