Der Hexer - NR08 - Im Bann des Puppenmachers
krümmte, mühsam wieder zu Atem kam – und seinen König zurückzog, statt die Dame zu schlagen, die vollkommen ungeschützt neben ihm stand!
»Howard!« brüllte ich. »Bist du von Sinnen? Warum schlägst du sie nicht?«
Howard stöhnte, und wie zur Antwort stieß de Laurec ein neuerliches, fast wahnsinnig klingendes Kichern aus. »Das ist ja gerade der Trick, Craven«, brüllte er triumphierend. »Er könnte es, aber er will es nicht. Dann würde nämlich seine kleine Freundin mit dran glauben müssen, wissen Sie?«
Verwirrt sah ich mir die weiße Königin genauer an. Im ersten Moment erkannte ich nichts als den eisengewordenen Alptraum, den ich die ganze Zeit gesehen hatte – aber dann erhaschte ich einen Blick unter ihr Visier, und was ich dort sah, ließ mir das Blut in den Adern gerinnen.
Es war ein Mädchengesicht. Ein blasses, von dunklem Haar eingerahmtes Gesicht, dessen Augen schwarz vor Furcht geworden waren.
Sarim brüllte vor Lachen, schlug sich vergnügt auf die Oberschenkel – und bot Howard ein weiteres Mal Schach. Diesmal ging Howard für fast eine Minute zu Boden, ehe er wieder soweit bei Atem war, seinen König zurückzuziehen.
Meine Gedanken schienen sich zu überschlagen, während unter uns das ungleiche Spiel weiterging. Ich versuchte erst gar nicht darüber nachzudenken, wer diese Frau war oder was Howard mit ihr zu schaffen hatte. Wer immer sie war, schien sie ihm wichtig genug, sein eigenes Leben und das unsere zu opfern, um sie zu retten. Das mußte ich akzeptieren.
Und de Laurec nutzte es gnadenlos aus. Seine Dame huschte in Zügen, die einem auch nur mittelmäßigen Schachspieler die Tränen in die Augen getrieben hätten, über das Feld, jagten Howards König hierhin und dorthin und scheuchte praktisch im Vorbeigehen noch seinen Springer umher. Vor den Fenstern tobte das Gewitter immer heftiger. Blitze warfen zuckende Reflexe in die Halle.
Aber Howard gab nicht auf. Er krümmte sich ununterbrochen vor Schmerz und Schwäche – aber er spielte wie ein junger Gott. Immer wieder griff sein Springer an, bedrohte de Laurecs König und zwang seine Dame so, das Kesseltreiben auf seinen eigenen König wenigstens für eine Weile zu unterbrechen.
Schließlich brachte er sogar das Kunststück fertig, de Laurecs verbliebenen Springer in eine Falle zu locken und zu schlagen.
Sarim de Laurec bekam einen Lachanfall.
»Phantastisch, Bruder, phantastisch!« brüllte er, wobei er aus Leibeskräften applaudierte und sich zwischendurch die Tränen aus den Augen wischte. »Du spielst wirklich gut. Wenn nur diese dumme dumme Dame nicht wäre, wie?« Und damit bot er Howard abermals Schach.
Ich glaubte den Schmerz zu spüren, der Howards Körper schüttelte, als ihn der elektrische Blitz traf. Verzweifelt starrte ich auf das Schachbrett und die gigantischen Figuren hinunter. Meine Gedanken überschlugen sich. Wenn ich ihm nur helfen könnte! Aber ich konnte nicht gegen Maschinen kämpfen. Meine magischen Kräfte, die mich schon mehrmals aus brenzligen Situationen herausgeholt hatten, versagten hier. Geistlose Maschinen waren gegen Hypnose ziemlich immun.
Aber ich war verzweifelt genug, es zu versuchen. Wenn man ertrinkt, greift man sogar nach einer Seifenblase, wenn gerade kein Strohhalm bei der Hand ist.
Mit aller Macht konzentrierte ich mich, starrte den weißen König an und fühlte... nichts.
Natürlich nichts. Was hatte ich erwartet? Die einzigen Lebewesen dort unten waren Howard und de Laurec. Alles andere waren Maschinen.
Die einzigen Lebewesen?
Es dauerte eine endlose Sekunde, bis ich begriff. Wie in einer blitzartigen Vision sah ich noch einmal das glatte, so täuschend echte Gesicht Eisenzahns vor mir, spürte noch einmal den Unglauben, als ich begriff, daß er kein Lebewesen war, sondern ein Automat...
Und dann dauerte es noch einmal eine Sekunde, bis ich meinen Schrecken überwand und mich nach vorne warf; so heftig, daß die steinerne Brüstung unter meinem Anprall bebte.
»Howard!« schrie ich mit überschnappender Stimme. »Die Dame! Vernichte die Dame. Sie ist eine Maschine!«
Meine Stimme ging fast im Bersten eines weiteren, gewaltigen Donnerschlages unter, aber Sarim fuhr trotzdem mit einem wütenden Zischen herum, und auch Howard erstarrte für eine endlose Sekunde. Dann flammten seine Augen auf, und ein grauenhafter Schrei brach über seine Lippen.
»Craven!« brüllte de Laurec. »Halten Sie sich raus, oder –«
»Springer B8 auf C6«, sagte Howard laut.
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