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Der Hexer - NR18 - Wer den Tod ruft

Der Hexer - NR18 - Wer den Tod ruft

Titel: Der Hexer - NR18 - Wer den Tod ruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene
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hatte keine Wahl gehabt. Nicht in den wenigen Sekundenbruchteilen, die ihm geblieben waren, sich zu entscheiden. Es hatte wenig Sinn, wenn wir stritten.
    »Ich begreife den Sinn dieses ganzen Überfalles nicht ganz«, sagte ich, eigentlich nur, um auf ein anderes Thema zu kommen.
    »Er konnte nicht ahnen, daß wir ihn so vernichtend schlagen werden«, antwortete Shannon.
    Ich schüttelte den Kopf. »Trotzdem ergibt es keinen Sinn«, sagte ich. »Es war auf jeden Fall ein Risiko. Und ich kenne Dagon. Man kann ihm eine Menge nachsagen, aber er ist nicht dumm.«
    »Vielleicht finden wir die Antwort«, sagte Shannon. »Der Zauberer ist erwacht. Ich dachte mir, daß du dabei sein willst, wenn ich mit ihm rede.«
    »Natürlich.« Ich nickte, obwohl ich im Moment alles andere als Lust hatte, mit einem Mann zu reden, der mir noch vor wenigen Stunden seine Lebensrettung mit einem Messerstich gedankt hatte. Aber ich war noch immer wie erschlagen. Vielleicht war es das Klügste, wenn ich irgend etwas tat, um meine Gedanken abzulenken.
    Die Eingeborenen lagerten unweit des Waldrandes. Nachdem das Feuer erloschen war, hatten sie vorsichtig den See verlassen und den Rest der Nacht damit verbracht, nach Überlebenden des Gemetzels zu suchen. Sie hatten keine gefunden.
    Aber es waren auch keine Leichen gefunden worden. Die Ssaddit hatten jede Spur von Leben aus dem Dorf getilgt lange ehe das Wasser kam und sie tötete. Als ich auf das hastig von Unterholz befreite Waldstück hinaustrat, auf dem das knappe Hundert überlebender Majunde lagerte, glaubte ich die dumpfe Verzweiflung, die von den Eingeborenen Besitz ergriffen hatte, geradezu körperlich zu spüren. Niemand sprach. Ein Kind weinte, aber das war der einzige Laut, den die annähernd einhundert Menschen von sich gaben, und plötzlich begriff ich, daß ihr Entsetzen noch viel tiefer sein mußte, als ich bisher angenommen hatte.
    Ich war beinahe froh, an Shannons Seite neben den Magier des Majunde-Stammes treten und meine Gedanken mit anderen Dingen beschäftigen zu können.
    Das Gesicht des Mannes war auf der linken Seite geschwollen, wo ihn meine Faust getroffen hatte. Er konnte nur ein Auge öffnen, aber damit starrte er mich mit einem solchen Haß an, daß mir ein eisiger Schauer den Rücken hinablief. Ich begriff den Grund dieses Gefühles nicht. Was ich sah, war weit mehr als der Groll, den man dem Angehörigen eines verhaßten Volkes entgegenbrachte. Es war ein Haß, der mir ganz persönlich galt.
    Shannon kniete heben dem Eingeborenen nieder, blickte ihm einen Moment fest in die Augen und sagte: »Wir müssen mit dir reden. Wirst du uns einige Fragen beantworten?«
    Der Magier spuckte ihn an.
    Eine Sekunde lang blieb Shannon wie versteinert sitzen, dann hob er ganz langsam den Arm, wischte sich das Gesicht sauber und legte dem Mann in der gleichen Bewegung die Hand auf die Schulter.
    »Was haben wir dir getan?« fragte er. »Warum haßt du uns so? Wir stehen auf deiner Seite.«
    Der Majunde schnaubte, hob die Hand, um Shannons Arm beiseitezuschlagen – und erstarrte. Der Glanz seiner Augen erlosch. Seine Züge erschlafften, während sich Shannons Finger so tief in seine Schulter gruben, daß er eigentlich vor Schmerz hätte aufschreien müssen. Aber er regte sich nicht, sondern blieb weiter stumm und wie erstarrt sitzen.
    »Was tut er da?«
    Ich drehte mich herum, als ich Yo Mais Stimme erkannte. Der kleinwüchsige Majunde war so leise hinter mich getreten, daß ich seine Schritte nicht einmal gehört hatte, und ganz offensichtlich stand er schon eine ganze Weile da und beobachtete uns.
    »Nichts, was dir Grund zur Angst gäbe«, sagte ich hastig. »Er... versucht die Wahrheit herauszubekommen.« Ich deutete auf den Majunde-Zauberer. »Euer Magier haßt uns. Wir wollen wissen, warum.«
    »Die Wahrheit?« Yo Mai blickte irritiert auf Shannon und den Magier herab. »Ist er... ein Zauberer?«
    »Man könnte es so nennen«, sagte ich nach kurzem Überlegen. »Ja. Das Wort mag für den Augenblick genügen. Aber du brauchst keine Angst zu haben.«
    »Angst?« Yo Mai starrte mich an, als hätte ich ihn gefragt, ob er an den Weihnachtsmann glaubte. »Angst?« wiederholte er. »Ich habe keine Angst, weißer Mann. Keiner von uns hat noch Angst, nach der vergangenen Nacht.«
    Das verstand ich nicht, aber Yo Mai redete weiter, ohne mir Gelegenheit zu einer Zwischenfrage zu geben: »Die Götter haben uns gewarnt, weißer Mann. Vor euch. Sie haben gesagt, daß eines Tages ein

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