Der Hexer - NR27 - Todesvisionen
schleuderte sie das Ding gegen eine der Felswände, sprang auf und wandte sich ab. Ihre Schultern zuckten.
Mühsam erhob sich der alte Schamane, trat hinter sie und legte ihr sanft die Hand auf die Schulter. Sie drehte sich halb weg, zog die Nase hoch und blinzelte wütend die verstohlenen Tränen weg, die sich in ihren Augenwinkeln sammelten.
»Die Macht in dir ist größer, als ich dachte«, sagte Mazakootemane mit leiser Stimme. »Du wirst lernen müssen, sie besser zu beherrschen.«
Mit einem Ruck fuhr Monahseetah herum. »Wie soll ich die Magie erlernen, wenn mir schon ein solch einfacher Zauber mißlingt?« fragte sie heiser. »Sie alle hatten recht – ich bin eben nur eine Squaw –
Jetzt blitzte es wütend in den Augen des Schamanen auf. Er trat auf Monahseetah zu und packte ihre beiden Arme mit festem Griff. »Was redest du?« fragte er ärgerlich. »Das Gegenteil ist der Fall! Deine Kraft ist viel zu groß. Du mußt nur lernen, sie zu beherrschen. Los, versuche es noch einmal!«
Damit drückte er Monahseetah eine zweite Blumenzwiebel in die Hand, lächelte ihr aufmunternd zu und deutete auf die Matte neben dem Feuer.
»Nur Mut. Ich weiß, daß du es schaffst«, unterstrich er seine Worte, ließ sich selbst auf den Boden nieder und wartete, bis auch Monahseetah Platz genommen hatte.
Die junge Squaw wischte sich mit dem Handrücken über die Augen, drehte die Knolle in ihren Händen und warf einen letzten Blick zu Mazakootemane hinüber. Der Alte lächelte wieder und nickte ihr zu.
Das Mädchen sammelte sich, und diesmal fiel sie bereits viel leichter in Trance als zuvor. Die Welt um sie herum versank in einem wogenden Nebel. Nur ihre Hände und die kleine braune Kugel waren noch Wirklichkeit – und ihr Geist, der sich erneut vom Körper zu lösen begann und in die Knolle drang, vorsichtig, behutsam, tastend...
Dann war plötzlich Bewegung neben ihr; heftige, schnelle Bewegung. Monahseetahs Konzentration schwand so schnell, wie sie gekommen war. Für Sekunden tanzten feurige Blitze vor ihrem inneren Auge, als die mentale Brücke auseinanderbarst. Dann klärte sich ihr Blick. Sie blinzelte die Nebel fort, wandte den Kopf – und sah Mazakootemane aufrecht im Raum stehen. Im Gesicht des Alten konnte sie deutlich Schrecken erkennen... und Angst?
Monahseetah schauderte. Niemals in den zwei Monaten, die sie nun schon bei Mazakootemane lebte, hatte sie je Angst in den Augen des Alten gesehen.
»Was... was ist geschehen?« fragte sie zaghaft und erhob sich auf die Knie.
»Sie kommen«, sagte der uralte Schamane nur. »Sie sind unterwegs. Schon jetzt. Schon so früh...«
Alarmiert stand Monahseetah vollends auf. »Wer kommt?« fragte sie. Und ihre Stimme bebte vor ungewisser Furcht.
Mazakootemane löste seinen Blick von einem unsichtbaren, fernen Ziel und wandte sich zu ihr um. »Ich habe es vorausgesehen, vor vielen Monden schon, aber ich habe gehofft, daß die Zeichen sich irren. Du mußt fliehen, Monahseetah. Ich kann dich nicht schützen, wenn sie kommen, um mich zu töten.«
»Wer kommt, Schamane?« fragte sie ein zweites Mal. »Vor wem mußt du dich fürchten?«
»Es sind die weißen Männer«, antwortete Mazakootemane leise. »Sie werden kommen und mich töten. So will es die Vorsehung.«
»Du könntest sie vernichten, Schamane!« erwiderte Monahseetah fassungslos. »Wer hindert dich, es zu tun?«
»Mein Schicksal«, sagte der Alte einfach. »Ich muß sterben, um zu leben. Es ist vorherbestimmt, und es liegt nicht in meiner Macht, das Schicksal zu zwingen. Ich kehre zurück; wann und in welchen Körper, wissen nur die Götter.«
»Aber –, begann Monahseetah, doch der alte Zauberer befahl ihr mit einer ärgerlichen Geste zu schweigen.
»Du kannst es nicht verhindern«, sagte er rauh. »Nun geh, bevor es zu spät ist. Kehre zurück zu deinem Volk. Ich kann dich nicht länger – Er hielt inne, als von draußen ein scharrender Laut erklang; das Schleifen von Stiefeln auf felsigem Grund.
»Zu spät«, flüsterte Mazakootemane erschrocken. »Sie sind hier.« Er sah sich hastig um und deutete auf eine Felsnische, die in dunklem Schatten lag. »Dort hinein, Monahseetah«, drängte er und ergriff die junge Squaw beim Arm. »Keinen Laut. Rühre dich nicht, oder du bist verloren. Du kannst mir nicht beistehen auf diesem Weg.«
Damit schob er sie in die Nische, wandte sich wieder um und starrte auf das Bärenfell, das den Eingang zur Höhle verdeckte.
Im nächsten Augenblick wurde es zur Seite
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