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Der Hexer - NR36 - Das Hirn von London

Der Hexer - NR36 - Das Hirn von London

Titel: Der Hexer - NR36 - Das Hirn von London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene
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Jahrhundert treuer Dienste und unbedingter Gefolgschaft knüpfte ein festes Band, und er konnte mit Fug und Recht behaupten, daß zwischen dem neuen Besitzer von Baskerville Hall und ihm schon jetzt ein Verhältnis bestand, das mehr war als die übliche distinguierte Freundschaft zwischen Herr und Butler. Aber es half alles nichts.
    Er mußte seinen Herrn verraten. Als die Dämmerung anbrach, schritt Barrymore zur Tat...

    * * *

    Zu meiner Überraschung mußte ich feststellen, daß ich mich weitaus länger in dem Gasthaus aufgehalten hatte, als mir bewußt gewesen war. Als ich auf die Straße trat, hatte sich die Sonne bereits hinter den Horizont zurückgezogen – abendliche Dunkelheit senkte sich über Coombe Tracey.
    Ich überlegte, was ich tun sollte. Trotz der vorgerückten Stunde noch nach Baskerville Hall hinausfahren? Oder mir hier in der kleinen Stadt ein Zimmer nehmen und bis zum nächsten Morgen warten? Mein Verstand sagte mir, daß letzteres wohl das Vernünftigere sein würde. Aber meine ganze Reise nach Devonshire war nicht unter dem Aspekt kühler und klarer Überlegungen zu betrachten. Unbestimmte Gefühle und Zwänge leiteten mich, und sie gewannen auch letztlich die Oberhand. Nein, ich konnte nicht in Coombe Tracey bleiben. Ich mußte zu Henry Baskerville, noch in dieser Nacht!
    Wenig später hatte ich eine Kutsche gemietet und einen Kutscher dazu. Zumindest glaubte ich das. Doch als ich dem Mann mein Fahrtziel nannte, machte er einen erschrockenen Rückzieher.
    »In der Dunkelheit durch das Grimpener Moor? Nicht für alles Geld der Welt!«
    »Nun«, sagte ich, »alles Geld der Welt kann ich Ihnen nicht bieten. Aber wie wäre es mit fünf Pfund extra?«
    »Nicht einmal für... zehn Pfund, sagten Sie?«
    »Fünf, mein Freund.«
    »Kommen wir uns entgegen – sieben Pfund und zehn Shilling, einverstanden?«
    »Einverstanden.«
    Der Mann bestand auf Vorauszahlung – offenbar wollte er ganz sicher gehen. Als ich Anstalten machte, in die Kutsche zu steigen, räusperte er sich lautstark.
    »Sir, würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn Sie neben mir auf dem Kutschbock Platz nehmen?«
    »Warum?«
    »Vier Augen sehen mehr als zwei.«
    Ich hatte zwar das Gefühl, mit meinem Entgelt Anspruch auf eine halbwegs gemütliche Sitzposition erworben zu haben, wollte andererseits jedoch die wohl berechtigten Sorgen meines Fahrers nicht leichtfertig in den Wind schlagen, und setzte mich neben ihn. Er ließ die Peitsche knallen, und das Gefährt rollte an. Bald lagen das Kopfsteinpflaster und die Lichter von Coombe Tracey hinter uns. Dunkelheit und die ausgefahrene Rinne der Überlandstraße wurden zu unseren Wegbegleitern.
    »Vor was haben Sie Angst?« fragte ich den Kutscher. »Vor dem Höllenhund?«
    »Ja«, gab er offen und ehrlich zu.
    »Soweit ich gehört habe, droht aber doch nur den Mitgliedern der Familie Baskerville Gefahr.«
    »Ich habe anderes gehört. Erst gestern soll ein friedlicher Schafzüchter der Höllenbestie zum Opfer gefallen sein. Und der hatte mit den Baskervilles außer der Luft, die er atmete, nicht das geringste gemein.«
    Das war mir neu. Zumindest hatte Jack Stapleton nichts davon berichtet.
    Die ersten Meilen der Fahrt verliefen ausgesprochen eintönig. Mein Kutscher schien ein ziemlich maulfauler Bursche zu sein und gab mir auf meine Fragen meistens nur einsilbige Antworten. Vielleicht ging es ihm aber auch nur darum, sich voll auf die Umgebung konzentrieren zu können, die wir durchfuhren. Viel war allerdings nicht zu erkennen. Die Kutschenlaternen und der Mond vermochten die Dunkelheit kaum aufzuhellen. Die ganze Landschaft kam mir grau in grau vor – oder, besser gesagt, schwarz in schwarz.
    Wir passierten einige einsam gelegene Gehöfte und Katen und erreichten schließlich, nach mehr als einer Stunde Fahrtzeit, ein kleines Dorf.
    »Grimpen?« erkundigte ich mich.
    »Ja«, bekam ich die gewohnt kurzangebundene Antwort.
    Und weiter ging die Fahrt, schneller jetzt als bisher. Der Kutscher trieb die Pferde zu größerer Eile an. Als ich ihm einen ersten Seitenblick zuwarf, erkannte ich im Schein der Bocklaterne, daß sein Gesicht einen leicht verbissenen Ausdruck angenommen hatte. Ja, er hatte Angst, große Angst sogar. Wahrscheinlich begann er langsam zu bedauern, daß er von seinem Vorsatz, nicht in der Dunkelheit durch das Grimpener Moor zu fahren, aus purer Geldgier abgegangen war.
    Ein bißchen hatte ich sogar Verständnis für ihn. Obwohl von der Szenerie ringsum meist nur

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