Der Hexer - NR38 - Das Auge des Satans
als wäre sie mit dieser Farbe getränkt.
Einzig der wuchtige Thron, der den größten Teil der gegenüberliegenden Wand einnahm, war in helles – natürlich gleichfalls rotes – Licht getaucht, so daß der Mann, der darauf saß und uns entgegenschaute, deutlich zu erkennen war.
Ich hätte es vorgezogen, ihn nicht ganz so deutlich zu erkennen. Nach Alis finsteren Andeutungen hatte ich eine arabische Ausgabe Necrons erwartet, zumindest jedoch einen irgendwie finster gearteten, drohenden Mann.
Der Kerl auf dem Thron war eine Witzfigur.
Es war klein, dabei aber so wohlbeleibt, daß er wie eine Kugel mit Armen und Beinen wirkte, und sein Gesicht glänzte, als wäre es mit Fett eingerieben. Es war ein Gesicht, das alles andere als anschaulich aussah – rund und feist und mit kleinen, tückisch blinzelnden Äuglein, die voller stummer Bosheit waren, ein fleischiger Mund, der über einer wahren Prachtausgabe eines doppelten Doppelkinnes saß, und wabbelige Hängebacken, die ihn wie eine Kreuzung zwischen einem Dobermann und einem Schwein aussehen ließen. Kurze, stummelige Wurstfinger, die unter dem Gewicht rubinbesetzter Ringe schlaff auf seinem mächtigen Bauch lagen, komplettierten das Bild. Das sollte Nizar sein, der Magier, bei dessen bloßer Erwähnung Ali schon vor Furcht zu zittern begann?
Der Mann schenkte mir und Letitia zunächst nur kurze Beachtung, sah Ali aber mit um so größerem Interesse an. Sein Blick spiegelte mit einem Male große Zufriedenheit wider.
»Sieh an«, begann er, »Ali, der Sohn Achmeds, des Narren! Welch unerwartete Freude, dich als Gast in meinem Hause willkommen heißen zu dürfen.« Er lachte, kippte seine gewaltige Körpermasse ein wenig nach vorn und spielte gedankenverloren mit seiner goldenen Halskette, an der ein besonders großer Rubin hing.
Der Schatten, der Ali war, bewegte sich in der roten Lohe. Ich konnte sein Gesicht nicht erkennen, aber ich hörte den unlöschbaren Haß in seiner Stimme, als er antwortete: »Nizar, du Sohn des Schejtans. Was hast du mit meinem Vater gemacht?«
Nizar lehnte sich gemächlich zurück und sah spöttisch auf Ali herab. »Du brauchst deinen Vater nicht zu betrauern. Er hätte meinetwegen der Scheik eures Stammes bleiben können. Es war Narretei, mir zu trotzen. So erhielt er, was er verdiente! Was hast du erwartet?«
Ali keuchte. »Du... du...«
»Keine Beleidigungen, bitte«, unterbrach ihn Nizar ruhig. »Du stehst unter dem Schutzes des Gastrechtes, mein Freund, doch dieser Schutz ist begrenzt. Sehr begrenzt.« Er kicherte, hob den Rubin, der an seiner Halskette hing, und hielt ihn wie ein bizarres Monokel vor das Auge.
»Du hast ihn getötet«, murmelte Ali.
Nizar nickte. »Ganz recht, du junger Narr.«
Ali gab einen sonderbaren Laut von sich. »Narr?« wiederholte er. »Oh ja, du hast recht, Nizar – ich bin ein Narr. Ein Narr, daß ich nicht auf mein Gefühl hörte, das mir sagte, daß du Teufel meinen Vater hast entführen lassen. Ich hätte sofort mit all unseren Kriegern gegen diese Festung anstürmen und ihn befreien müssen!«
»Wenn ich dir so zuhöre«, seufzte Nizar, »habe ich den Eindruck, daß du ein noch größerer Narr als dein Vater bist. Tapferkeit, mein lieber junger, dummer Freund, macht allein noch keinen Mann. Ich hätte deine paar Schafdiebe ohne Mühe vernichten können, egal, ob sie gegen meine Festung anrennen oder sich in der Wüste verkriechen, was ich von diesen Schakalen auch eher annehme.« Er senkte sein Rubin-Monokel, schüttelte den Kopf und blickte einen Moment auf Letitia und mich herab, ehe er sich wieder an Ali wandte. »Doch ich bin gnädig gesinnt. Unterwirf dich mir und meiner Macht, und deine Beni Assar bleiben am Leben. Und du wirst ihr Scheik sein als mein verlängerter Arm!«
Nizar schwieg einen Moment und beobachtete Alis Mienenspiel. Dann, nach einer genau berechneten Pause, deutete er mit einem seiner kurzen Stummelfinger auf Letitia. »Gehorche mir, Scheik Ali, und dieses Weib aus Inglistan gehört dir.«
»Du... du weißt...«
»Es gibt nicht viel, was ich nicht wüßte«, unterbrach ihn Nizar eisig. »Ich kann dir sagen, mein lieber Ali, daß diese Rose aus Inglistan deine Gefühle durchaus erwidert, auch wenn sie selbst es noch nicht wahrhaben will. Aber mit meiner Hilfe wirst du sie schon gefügig machen. Nun – gefällt dir mein Angebot?«
Ali stand wie vom Donner gerührt. Fast schien es, als könne er Nizars Worte nicht begreifen. Dann sah er Letitia mit einem
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