Der Hexer - NR43 - Revolte der Echsen
ihm einen zornigen Blick zu, ohne in ihrer Konzentration nachzulassen. Zengsu zuckte zurück und senkte betont schuldbewußt den Blick.
Er sah, wie sich die Dornenranken binnen weniger Sekunden zu einem Wall auftürmten, der ihm die Sicht auf die drei Gestalten nahm. Dies mußte das Ende für sie bedeuten, wobei es ihm noch am meisten um Uscham leid tat. Von dem alten Sree hatte er sich die meiste Unterstützung bei der Verwirklichung seiner Pläne erhofft, während Madur und der Fremde unberechenbare Faktoren darstellten, deren Tod ihm nicht einmal allzu ungelegen kam.
Unsicher musterte er Mereda.
Schweißtropfen perlten auf ihrer Stirn, und ihr Blick schien in unendliche Fernen gerichtet. Sie war so in Trance versunken, daß sie nichts mehr um sich herum wahrnahm. Wenn er ihr jetzt sein Schwert zwischen die Rippen stieß, würde sie es wahrscheinlich erst merken, wenn alles zu spät war.
In diesem Augenblick schreckte die Hexe auf und wandte sich ihm zu.
»Es ist an der Zeit, den Aufstand zu beginnen«, sagte sie mit harter Stimme. »Gib den Befehl, Conden sofort anzugreifen. Es ist der leichtere Gegner. Anschließend werden wir uns Ancen mit vereinter Macht entgegenstellen.«
Zengsu starrte sie einige Sekunden lang überrascht an, dann nickte er und eilte ohne ein weiteres Wort davon.
* * *
In stummer Verzweiflung schloß ich die Augen und kämpfte gegen das Gefühl der Resignation an. Meine Hände begannen zu zittern. Ich krampfte die Finger um den Knauf des Stockdegens, als wollte ich ihn zerbrechen.
»Bei allen Göttern, tu etwas«, keuchte Madur neben mir und vergaß sogar die achtungsvolle Anrede. Seine Worte rissen mich aus der Erstarrung.
Die unheimliche Woge, die sich in einem wie mit dem Zirkel gezogenen Kreis von wenigen Schritten Durchmesser um uns herum erstreckte, hatte inzwischen mehr als Mannshöhe erreicht. Es schien, als hätte sich am hellen Tage die Nacht auf uns herabgesenkt, um uns zu verschlingen.
»Das Zentrum!« schrie Uscham. »Ihr müßt die Urzelle vernichten!«
Verständnislos starrte ich ihn an. Dann, ganz langsam, begann ich zu begreifen, was er meinte und mir vorher schon mitzuteilen versucht hatte.
Und ich erkannte die hauchdünne Chance, die sich uns noch bot.
Erneut schloß ich die Augen und konzentrierte mich mit aller Kraft, die ich noch aufzubringen imstande war. Verbissen tastete ich nach der Macht in meinem Inneren. Ich war bis zur Grenze meines Leistungsvermögens erschöpft und wußte selbst nicht, was mich immer noch auf den Beinen hielt.
Wieder und wieder liefen meine Bemühungen ins Leere. Die Angst war zu stark, als daß ich mich noch so konzentrieren konnte, wie es nötig gewesen wäre.
»Aneh«, stöhnte ich. Ich wußte, daß die junge Magierin auf ein Zeichen von mir wartete, um die schützende Luftblase um mich zu erschaffen. Vielleicht konnte sie mir auch jetzt helfen, und sei es nur dadurch, daß sie mir half, meine Hexerkraft zu erwecken.
Doch es waren nicht Anehs beruhigende Impulse, die ich mit einem Male in mir spürte. Dennoch kamen sie mir auf sonderbare Art bekannt vor, ohne daß ich sie auf Anhieb einzuordnen vermochte. Wichtig war nur, daß es mir endlich gelang, mich richtig zu konzentrieren.
Als ich nach einigen Sekunden die Augen wieder öffnete, hatte sich die Welt um mich herum verändert. Es gab keine Farben mehr, nur noch helle und dunkle Grautöne in allen denkbaren Schattierungen, fast wie auf einer falsch belichteten Photoplatte. Zugleich waren die Farben in ihr Gegenteil verdreht. Um mich herum herrschte nachtschwarze Dunkelheit, aus der sich die Gestalten von Madur und Uscham unscharf abhoben.
Doch ich sah nicht nur die Schatten. Vor mir erstreckte sich ein Gespinst dünner, weißleuchtender Fäden, scheinbar wirr ineinander verwoben, doch je stärker ich mich konzentrierte, um so deutlicher schälte sich ein kompliziertes, spinnennetzähnliches Muster aus der sinnverwirrenden Symmetrie, das an ein riesiges Speichenrad erinnerte. An zahlreichen Stellen kreuzten sich die Fäden und bildeten grell strahlende, pulsierende Knoten.
Ich zitterte vor Anstrengung und preßte die Hände gegen die Schläfen, aber ich folgte dem Verlauf des Musters mit meinem Blick, bis ich gefunden hatte, was ich suchte. Die Fäden, die nichts weiter als die Dornenranken und Wurzelstränge darstellten, trafen sich alle an einem einzigen Punkt. Sie waren nicht voneinander unabhängige Wesen, sondern lediglich tausende Ausläufer einer einzigen
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