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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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würden sie mit der Tochter eines gesuchten Einbrechers und mutmaßlichen Mörders wohl anstellen? Bestimmt hatten die Männer anderes im Sinn, als Magdalena artig zu befragen und dann wieder laufenzulassen. Zumal die beiden Semers ohnehin auf Rache aus waren wegen ihres letzten Besuchs im Schinderhaus, bei dem sie vom Schinder und der Henkerstochter aus dem Haus gewiesen worden waren.
    Simon beschleunigte seine Schritte und orientierte sich südwärts, wo Erling liegen musste. Leider war gerade in dieser Richtung der Weg besonders mühsam, er musste sich oft durch knietiefes Laub, Buschwerk und totes Holz kämpfen. Fast kam es ihm so vor, als würden die stach­ligen Zweige der Disteln und Brombeeren wie mit Fingern nach ihm greifen und ihn zurückhalten.
    Als Simon sich einmal mehr schimpfend von den Dornen losgerissen hatte, blickte er nach oben und sah plötzlich, dass unweit vor ihm ein besonders eindrucksvoller Felsen in die Höhe ragte. Der Koloss mochte sicher acht Schritt hoch sein, eine knorrige Linde wuchs darauf. Nicht weit davon entfernt standen einige Felsen in einem Kreis zusammen, so wie die Überreste eines gewaltigen Bergfrieds. Ganz leicht roch Simon den Rauch eines Feuers.
    Der Medicus hielt den Atem an. Feuer bedeutete, dass Menschen in der Nähe waren. Es konnte sich um die Andechser Jäger handeln, aber auch um Straßenräuber, die hier in der Nähe des Klosters auf leichte Beute hofften. Auf beide konnte Simon zurzeit gut verzichten.
    Angestrengt lauschte er, konnte aber kein verdächtiges Geräusch hören, nur das Zwitschern der Vögel und das stete Rauschen in den Bäumen.
    Gerade eben wollte Simon seinen Weg fortsetzen, als mit einem Mal doch noch Laute zu vernehmen waren. Sie waren weder menschlichen noch tierischen Ursprungs.
    Es war die traurige Melodie einer Spieluhr. Ein längst vergessenes Liebeslied, das mitten im Wald von den Felsen unheimlich widerhallte.
    Der Medicus hielt erschrocken inne. Es war die gleiche Melodie, die er vor einer Woche im Haus des Uhrmachers gehört hatte; das gleiche Lied, von dem ihm auch Magdalena berichtet hatte. Sie hatte es gehört, nachdem sie den Waldweg unterhalb des Klosters entlanggegangen und dort angeschossen worden war.
    Die Melodie des Automaten.
    Eine ganze Weile verharrte Simon auf der Stelle, ehe er es wagte, wieder einen Fuß vor den anderen zu setzen. Das leise Lied schien von der anderen Seite der Felssäule zu kommen. Mit angehaltenem Atem schlich er direkt an der Wand entlang, bis vor ihm schließlich der Eingang zu einer Höhle auftauchte. Davor kokelte ein herunter­gebranntes Feuer, ein schmutziger Holznapf und ein Tonbecher standen daneben, ansonsten war nichts zu sehen. Simon lauschte.
    Die Melodie kam eindeutig aus dem Inneren der Höhle.
    Sein Herz begann zu rasen. Konnte das möglich sein? Hatte er tatsächlich den Eingang zu den unterirdischen Gängen der Burg gefunden? Und was sollte er nun tun? Eigentlich war er ja unterwegs, um Magdalena zu warnen. Doch hier war vermutlich das Versteck, das sie so lange gesucht hatten: das Versteck des Hexers!
    Das Versteck, in dem Pater Laurentius in ein verbranntes Stück Fleisch verwandelt worden war , durchfuhr es ihn.
    Simon zögerte. Er war allein. Falls ihm etwas zustieß, würde ihm keiner helfen können. Sicher wäre es besser, zunächst nach Erling zu gehen und seinen Schwiegervater zu suchen. Gemeinsam würden sie hierher zurückkehren und …
    Und wenn ich das Versteck dann nicht mehr finde?
    Nachdenklich betrachtete Simon das heruntergebrannte Feuer. Es schien bereits seit einigen Stunden nicht mehr geschürt worden zu sein. Gut möglich also, dass der Wächter dieser Höhle für einige Zeit fortgegangen war. Ein guter Moment, um wenigstens kurz nach dem Rechten zu sehen.
    Mit spitzen Fingern zog Simon einen halb abgebrannten Ast aus der Glut und leuchtete damit ins Innere der Höhle. Sie war nicht groß, gerade mal einige Schritt breit, und leer bis auf einige Haufen schmutzigen, stinkenden Strohs. Der Medicus bückte sich und trat ein, um sich näher umzu­sehen.
    Vorsichtig tappte er durch das feuchte, von Ruß geschwärz­t e Gewölbe und hielt nach etwas Verdächtigem Ausschau. Eine löchrige Wolldecke lag zusammengeknüllt in einer Ecke, an der rechten Wand hing in Kopfhöhe ein kleines verblichenes Marienbildnis. Auf einem der Strohballen fand Simon schließlich ein aus Zweigen zusammengebundenes Kruzifix und eine Kette mit matt glänzenden Perlen, die an diesem

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