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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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still, doch dann schwappten kleine Wellen ans Ufer, die rasch größer und größer wurden. Ein Wind brauste vom Hohenpeißenberg her über das Land. Er brachte eine kühle Luft mit sich, die so ganz anders schmeckte als die bisherige Schwüle dieses Junitags. Die Bäume bogen sich, sie ächzten und knarrten. Die mächtigen Stämme hatten schon viele Gewitter erlebt, doch dieses schien ein besonders heftiges zu werden.
    Eines, an das die Menschen sich noch lange erinnern würden.
    In der Stille kurz vor dem Sturm dröhnte der erste Donner so laut, als würde die Welt in Stücke zerbersten. Er rollte über das Land, fuhr durch die Bäume und schlug gegen die Mauern des Klosters.
    Dann rauschte der Regen heran.
    Mit erhobenem Haupt stand Graf Leopold von Wartenberg auf der Treppe des verschütteten Bergfrieds und beobachtete, wie seine Soldaten die beiden vor Schreck erstarrten Mönche fesselten. Als sich die Büttel schließlich Kuisl und seiner Tochter zuwandten, hob der Graf die Hand. Argwöhnisch starrte er hinab auf den Schongauer Henker.
    »Im ersten Augenblick dachte ich, die Schurken hätten zwei willige Helfer für ihre Fälschereien gefunden«, sagte er leise, wie zu sich selbst. »Aber jetzt erinnere ich mich, dass dieser Schongauer Bürgermeister erst heute früh darüber gejammert hat, wie lästig sein eigener Henker sei. Dieser Mann soll sich, trotz seines ehrlosen Standes, hier auf dem Heiligen Berg aufhalten. Er ist offensichtlich beim Schnüffeln im Kloster ertappt worden und hat heute Mittag auf der Flucht einen der Jäger in die Schlucht geworfen.« Der Graf hob die rechte Augenbraue und maß Jakob Kuisl langsam von Kopf bis Fuß. »Der Beschreibung nach könnte Er dieser Henker sein. Ist es so?«
    Kuisl verschränkte trotzig die Arme vor der breiten Brust. »Der bin ich. Aber mit den Machenschaften dieser Scharlatane hab ich nichts zu tun. Ich such nur meine Enkel.«
    Schmunzelnd wandte sich der Graf an seine Soldaten. »Hört ihr? Er sucht nur seine Enkel. Leider haben sich die süßen Kleinen in den unterirdischen Gängen verlaufen, in denen ganz zufällig auch die gesuchten Reliquienfälscher ihr Unwesen treiben.« Die Wachen grölten, doch Graf Wartenberg schnitt ihr Gelächter mit einer unwirschen Bewegung ab. »Was für ein Unsinn! Glaubt Er wirklich, dass ich Ihm diese Lügen abkaufe, Henker ?«
    »Aber es ist die Wahrheit!«, mischte sich nun Magdalena ein. »Meine Kinder sind entführt worden, von diesem Hexer! Wahrscheinlich sind sie noch irgendwo dort unten und …«
    »Augenblick!« Der Graf hob erneut die Hand. »Was soll dieses ständige Gerede von einem Hexer? Wenn es wirklich einen gibt, dann ist das doch dieser Apotheker, der mittlerweile in Weilheim auf den Scheiterhaufen wartet. Wer bist du überhaupt, Weibsbild?«
    Zornig richtete sich Magdalena auf und reckte ihr Kinn. »Ich bin die Magdalena aus Schongau!«, erwiderte sie kühl. »Tochter des Henkers Jakob Kuisl und Ehefrau des Baders Simon Fronwieser. Man nennt uns ehrlos, aber wir haben doch einen Namen.«
    »Fronwieser?« Zum ersten Mal schwang echtes Erstaunen in der Stimme des Grafen mit. » Der Fronwieser etwa, der meinen Sohn kuriert hat?«
    Magdalena lächelte schmal. »Es freut mich zu hören, dass es dem Kleinen bessergeht.«
    »Nun, er ist noch nicht über den Berg, aber das Fieber geht tatsächlich zurück. Leider habe ich sein Krankenbett wegen dieser Galgenvögel vor einigen Stunden verlassen müssen.« Wartenberg schritt langsam die Stufen herunter. Die beiden Benediktiner lagen mittlerweile gefesselt auf dem Boden, die Stiefel der Wachen drückten ihre Gesichter in den Dreck, so dass sie kaum atmen konnten. Im Oberarm von Pater Jeremias steckte noch immer der Armbrustbolzen.
    »Seit Jahren schon wussten wir, dass mit den Andechser Reliquien irgendein Schindluder getrieben wird«, fuhr der Graf fort, während er einen prüfenden Blick über die mit billigem Blech beladenen Tische und den verkrusteten Schmelztiegel schweifen ließ. »Es gab Gerüchte, Erzählungen, aber nichts wirklich Beweisbares. Trotzdem – wir Wittelsbacher konnten nicht zulassen, dass der größte Schatz des Kurfürstentums, ein Schatz, der ohnehin eigentlich uns gehört, in irgendwelchen Kanälen versickert. Also bat mich der Kurfürst, nach dem Rechten zu sehen. In der Heiligen Kapelle wurde ich nicht fündig, auch nicht, als ich bat, ein weiteres Mal eingelassen zu werden. Aber dann entdeckte ich in der Zelle des Bibliothekars diese

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