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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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wahr. Wir hatten Streit, aber es war ein Streit der … äh … Wissenschaften. Mehr eine Fach­simpelei. Nichts Ernstes.«
    »Der Wissenschaften?« Abt Maurus Rambeck schmunzelte. »Versteig dich nicht, Bruder. Denke immer daran, du bist unser Apotheker, mehr nicht. Heile die Kranken und sorge dafür, dass in deiner Nähe nicht noch mehr Menschen sterben. Das ist alles, worum ich dich bitte. Die Wissenschaft überlass den Studierten.« Er wandte sich wieder Simon zu. »Und nun zu Euch, Bader. Ihr scheint tatsächlich etwas von der menschlichen Anatomie zu verstehen. Vielleicht sogar mehr als unser Apotheker. Warum also nicht?« Maurus Rambeck wiegte kurz den Kopf, als suchte er eine Entscheidung. Schließlich nickte er. »Ich würde mich freuen, wenn Ihr einen kleinen Bericht über diesen Vorfall schreibt. Sagen wir bis morgen? Todesursache, Wunden, et cetera, et cetera, ­etwas für die Akten, falls wir tatsächlich den Landrichter bemühen müssten. Natürlich gegen Entgelt.« Er zwinkerte, und Simon glaubte, Spott in seinen Augen aufblitzen zu sehen. »Gern könnt Ihr auch diesem mysteriösen Weiher einen Besuch abstatten«, fuhr er fort. »Oder was auch immer, Ihr habt freie Hand. Danach werde ich entscheiden, wie wir weiter verfahren. Und nun gehabt Euch wohl.« Maurus Rambeck deutete auf das zerfledderte Buch vor sich. »Diese hebräische Abschrift über Heilkräuter des alten Ägyptens ist äußerst erbauend. Ich würde gern noch heute eine Übersetzung davon anfertigen. Und zwar in aller Ruhe.« Seufzend starrte er hinaus aus dem Fenster, von wo aus noch immer vereinzeltes ­Glockenbimmeln zu hören war. »Und dich, lieber Mitbruder Johannes, bitte ich zu erkunden, was es mit diesem nervtötenden Geläute auf sich hat. Das klingt ja beinahe so, als wären die Schweden wieder vor den Toren.«
    »Wie Ihr wünscht, Hochwürden«, murmelte Frater Johannes. »Ich werde gleich nach dem Rechten sehen.« Mit einer Verbeugung verabschiedete er sich vom Abt, nicht ohne Simon noch einen bösen Blick zuzuwerfen.
    Der Medicus schluckte. Es sah ganz so aus, als hätte ihm seine berüchtigte Neugier wieder einen Haufen Probl­eme beschert.

Sonntag, der 13. Juni 1666,
Schongau unten im Gerberviertel, vormittags
    akob Kuisl ertappte die Männer am Zimmerstadel unweit des Lechs.
    Es waren etwa ein Dutzend Halbstarke, allesamt picklig und breitgebaut, die vor Kraft und Übermut schier zu ­bersten drohten. Der Henker erkannte zwei, drei Zimmermannsgesellen aus dem benachbarten Altenstadt und natürlich die drei Berchtholdt-Brüder. Der älteste Berch­tholdt war wie so oft der Anführer.
    »Schau an, schau an, der Henker führt seine Bälger aus«, knurrte Hans Berchtholdt. Er baute sich vor Kuisl auf und deutete auf die beiden Kinder, die dieser auf seinen massigen Armen trug. Die Buben lutschten verträumt am Daumen und musterten die zornigen Männer aufmerksam, so als erhofften sie sich von ihnen irgendeine Süßigkeit oder ein buntes Spielzeug.
    »Lass meine Enkel aus dem Spiel«, sagte Jakob Kuisl und sah sich verstohlen nach einer Fluchtmöglichkeit um. Doch die Burschen hatten mittlerweile einen Ring um ihn gebildet.
    Der Henker hatte mit den zwei Kleinen den Vormittag unten am Fluss verbringen wollen, um ein paar Holzschiff­chen und Schaufelräder zu schnitzen. Als er in den schmalen Trampelpfad hinter dem Zimmerstadel eingebogen war, hatte er sofort bemerkt, dass schon wieder eine der Lade­luken offen stand. Ein paar Männer saßen mit verschlagenem Blick auf erbeuteten Getreidesäcken, andere kletterten gerade mit einer selbstgenagelten Leiter von der Luke hinab zum Boden. Von vorne und hinten näherten sich jeweils zwei Späher, die bislang Schmiere gestanden hatten, alle mit ­einem Glitzern in den Augen, das den Henker an den Blick hungriger Wölfe erinnerte. Offenbar hatte Kuisls letzte Drohung nichts genutzt. Berchtholdt und die anderen der Meute waren erneut in den Stadel eingebrochen, um Korn zu stehlen.
    »Verschwindet, und ich hab nichts gesehen«, brummte er. »Ich hab meinen guten Tag. Diesmal lass ich euch noch laufen.«
    Doch ein kurzer Blick auf Hans Berchtholdt verriet Kuisl, dass er damit nicht durchkommen würde. Der junge Bäckermeister trug die Hand mit den beiden gebrochenen Fingern in einer Schlinge, seine Lippen zuckten vor Zorn und Erregung.
    »Ich fürchte, dass wir dich nicht so einfach gehen lassen können«, zischte Berchtholdt. »War ein saublöder Einfall von dir, gerade jetzt hier

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