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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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Ihr.«
    »Kruzitürken, ist hier vielleicht irgendeiner, der mich noch nicht für tot hält?« Zornig wandte sich Magdalena ab. »Gehabt Euch wohl, Ihr Mannsbilder! Und wenn Ihr meinen Herrn Gemahl, den nichtsnutzigen Bader, seht, dann sagt ihm, dass er sein Gebräu selber saufen kann. Ich geh jetzt zum Beten!«
    Sie ließ die verdutzten Männer stehen und eilte auf das Portal der Klosterkirche zu. Wenn sie auch nicht so durch und durch gläubig war wie viele andere Schongauer, so war sie doch mit der festen Absicht nach Andechs gekommen, Gott für die vergangenen guten Jahre zu danken. Warum also nicht gleich mit dem Beten anfangen? Vor allem, wenn sie sich so elend fühlte wie jetzt gerade. Vielleicht war an Simons Befürchtungen ja doch etwas dran.
    Ihre Schritte führten sie an der Südseite der Kirche entlang, wo der Brand am schlimmsten gewütet hatte. Das Mauerwerk war eingefallen und stark verrußt, das Loch im Dach war mit Leintüchern nur notdürftig abgedichtet, so dass die Sonne in schmalen Streifen ins Innere der Kirche schien. Magdalena atmete tief durch und betrat das alte gotische Gebäude, in dem die Mönche bereits wieder einigermaßen Ordnung geschaffen hatten. Jetzt nach der Morgenmesse hielten sich nur noch wenige Menschen im Inneren auf. Zur Rechten ragte der Hochaltar mit den beiden goldenen Marienstatuen empor. Im Hauptschiff befanden sich vier kleinere Altäre, schmale Durchgänge führten in dunkle, nur von flackerndem Kerzenlicht beleuchtete Seitenkapellen. Auf halber Höhe an der Mauer zog sich eine Empore entlang, wo ein halbes Dutzend Stuckateure gerade damit beschäftigt war, die Fresken von Schmutz und Ruß zu befreien oder die verbrannten Spitzbogenfenster zu erneuern. Keiner der Handwerker schien Magdalena bis jetzt bemerkt zu haben. Sie setzte sich in eine der hinteren Kirchenbänke, schloss die Augen und betete. Doch schon nach kurzer Zeit stellte sie fest, dass sie sich nicht richtig konzentrieren konnte. Ihre Gedanken drehten sich immer wieder um ihren verschwundenen Simon, um Michael Graetz, ihren verlausten Vetter, um das gestrige Gewitter und um das Licht in der Turmruine.
    Vor allem um das Licht.
    Sie öffnete die Augen und sah sich um. Schon bald entdeckte sie eine Wendeltreppe, die hinauf zur Empore und von dort aus weiter in die Höhe führte.
    Vielleicht hinauf in den Turm?
    Nur ein paar Minuten , dachte sie. Wenn ich in ein paar Minuten den Turmeingang nicht gefunden habe, kehre ich um und bete weiter. Versprochen, gütiger Heiland.
    Auf leisen Sohlen verließ Magdalena die Kirchenbank und stieg hinauf auf die Empore. Tatsächlich befand sich dort oben ein niedriger Durchgang, hinter dem ein frisch gezimmertes Gerüst weiter nach oben führte. Die alte Holztreppe war vom Feuer fast gänzlich zerstört. An manchen Stellen konnte man noch die Überreste der Stufen erkennen, doch die meisten der durchgetretenen Bretter ragten nur noch als schwarze Stumpen ins Nichts. Magdalena schlug ein Kreuz und betrat das knarzende Gerüst.
    Schon nach wenigen Schritten war die Henkerstochter ganz allein. Von weiter unten konnte sie noch Hämmern und Rufen hören, doch je höher sie stieg, desto gedämpfter wurden die Laute. Durch die nackten, verrußten Fensteröffnungen, die in regelmäßigen Abständen im Turm auftauchten, erblickte Magdalena das grüne Kiental, die Buchenwälder rund um das Kloster und die Baustelle tief unter sich. Die Arbeiter glichen Ameisen, die über den Platz krochen und winzige Steinchen vor sich herschoben.
    Die behelfsmäßig gezimmerte Treppe knarrte und schwankte; es gab kein Geländer, an dem man sich fest­halten konnte, und Magdalena spürte, wie ihr erneut schwindlig wurde. Meter für Meter ging es weiter in die Höhe. Schweißtropfen rannen ihr in die Augen, und sie verfluchte sich im Stillen für den Einfall, auf einen aus­gebrannten, baufälligen Turm zu steigen. Schon wollte sie umkehren, als sie genau über sich in der Decke eine qua­dratische Öffnung sah. Sie kletterte hindurch und war endlich im Dachgeschoss angekommen, durch dessen kohlschwarze Fensterlöcher ein kühler Wind wehte.
    Der Ausblick war gewaltig.
    Magdalena hatte schon mehrmals den Gipfel des Hohen­peißenbergs unweit von Schongau erklommen, doch hier oben fühlte sie sich dem Himmel noch ein Stück näher. Weit draußen am Horizont erstreckte sich das schnee­bedeckte Band der Berge, davor breitete sich die bayerische Voralpenlandschaft mit ihren Wäldern, Mooren und Seen

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