Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
Vom Netzwerk:
haben.
    »Mein Gott, Kuisl!«, rief einer der beiden. »Du rennst ja, als wär dir der Teufel auf den Fersen.«
    »Nicht der Teufel, nur die Berchtholdt-Brut«, keuchte der Henker. »Am besten, ihr schaut hinter dem Stadel gleich mal nach dem Rechten. Bevor die Augsburger anfangen, nach ihrem Getreide zu fragen.«
    Noch auf der Brücke beschloss Jakob Kuisl, seine Enkel von nun an keinen Moment mehr aus den Augen zu lassen.
    *
    Als Simon den Andechser Klosterbau verließ, fielen ihm plötzlich siedend heiß die Kräuter für Magdalena ein. Die Kräuter für Magdalena! Er nestelte an dem prall gefüllten Lederbeutel an seinem Gürtel, in dem sich die Heilpflanzen befanden. Dann eilte er auf dem schnellsten Weg hinunter ins Dorf. Im Stillen hoffte Simon, dass Magdalena seine lange Abwesenheit gar nicht bemerkt hatte. Sonst konnte er sich vermutlich auf einiges gefasst machen.
    Doch als er zum Haus des Schinders kam, musste er erstaunt feststellen, dass es leer war. Nur ein paar zerzauste Ziegen grasten in dem kleinen Garten vor der Hütte, die Tür stand weit offen. Weder Michael Graetz und sein Gehilfe noch Magdalena waren irgendwo zu sehen.
    »Dabei hab ich ihr dreimal gesagt, dass sie liegen bleiben soll«, murmelte Simon verlegen. »Störrisches Weibsbild.« Innerlich stellte er sich schon auf eine gesalzene Straf­predigt ein.
    Nach kurzem Zögern beschloss er, wieder hinauf zum Kloster zu gehen. Vielleicht fand er Magdalena ja in der Kirche oder auf der Baustelle. Oben an der Klostermauer traf soeben eine neue Pilgergruppe ein, die von einem der Mönche mit Segenswünschen begrüßt wurde. Unter lautem Singen und Beten zogen die Wallfahrer mit ihren ­Kerzen langsam hinauf zum Kloster, wo sie vermutlich der Kirche einen ers ten Besuch abstatten wollten. Dafür, dass das Dreihostien­fest erst in einer Woche stattfand, war bereits etliches Volk zusam­mengekommen. Die Menschen drängten sich in der schmalen Gasse.
    Um dem Trubel zu entgehen, eilte Simon an der Klostermauer entlang, bis er näher am Waldrand ein weiteres ­offenes Gatter fand. Auch hier stand eine Reihe von Stadeln; Kühe muhten, irgendwo grunzte eine Sau, es roch nach Mist und Biermaische. An der linken Seite eines ausgetretenen Pfads befand sich ein schmuckes Steinhäuschen, das mit seinen frisch gekalkten Mauern und dem hübschen Ziergarten mit Klatschmohn und Margeriten so gar nicht zu den schmut­zigen Ställen passen wollte. Dahinter führte eine steile Treppe hinauf zum Kloster.
    Simon wollte soeben die ersten Stufen emporsteigen, als ihn ein lauter Knall herumfahren ließ. Während er noch überlegte, woher der Lärm gekommen war, sah er hinter einem der Fensterläden des Steinhäuschens Rauch aufsteigen. Irgendetwas musste im Inneren explodiert sein!
    Ohne zu zögern, machte der Medicus kehrt, rannte auf den Eingang des Hauses zu und stieß die Tür auf. Schwarze, nach Schwefel stinkende Wolken schlugen ihm entgegen und raubten ihm die Sicht.
    »Ist … ist alles in Ordnung?«, rief er unsicher.
    Ein Husten ertönte, gefolgt von einer krächzenden Stimme: »Kein Grund zur Sorge. War wohl eine Prise Schwarzpulver zu viel. Aber soweit ich überhaupt etwas erkennen kann, ist noch alles heil.«
    Die Rauchschwaden zogen durch die Tür ab, und vor Simon tauchte der merkwürdigste Raum auf, den er je gesehen hatte. An den Seiten standen grob gezimmerte Holztische, auf denen sich die unterschiedlichsten fremdartigen Apparaturen befanden. Zur Linken erblickte ­Simon einen silbernen Kasten, in dessen Inneren sich mehrere Zahn­räder drehten. Daneben lag ein Puppenarm aus weißem Porzellan, der dazugehörige Kopf rollte soeben über die Tischplatte und blieb erst liegen, als er gegen eine ­tickende Pendeluhr mit winzigen silbernen Nymphen prallte. Mit schiefem Lächeln glotzte der Kopf Simon an, dann klappten seine Wimpern nach unten, und die Puppe schien zu schlafen. Weiter hinten auf den Tischen glitzerten Dutzende weitere Metallteile, auf die sich Simon keinen Reim machen konnte. Der ganze Raum stank nach Schwefel und verbranntem Metall; die geschlossenen Fensterläden ließen trotz der hellen Mittagssonne kaum Tageslicht herein. Noch immer lagen weite Teile des Zimmers in trübem Dunst.
    »Tretet nur näher«, meldete sich erneut die Stimme aus dem Rauch. »Es gibt nichts, was Ihr in diesem Raum zu befürchten hättet. Nicht einmal den ausgestopften Alligator an der Decke. Übrigens eine echte Rarität aus dem Land der Pyramiden.«
    Der

Weitere Kostenlose Bücher