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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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schwere Holztür ohne Klinke, an die Peter nun verzweifelt pochte.
    »Mama! Der Garten, ich will den Garten sehen!«
    »Der … Garten?« Magdalena starrte Peter verständnislos an. Sein Gesicht war schwarz wie das eines Köhlers, er hustete, doch sie konnte keine Verbrennungen an ihm feststellen. Im Gegenteil, der Dreijährige machte einen beinahe fröh­lichen Eindruck. Vorsichtig ließ Magdalena ihren Mann zu Boden gleiten und betrachtete die verschlossene Tür.
    »Welcher Garten?«, hakte sie nach.
    »Der Garten mit dem lustigen Steinmann, der Wasser spuckt!«, erklärte Peter eifrig. »Er ist hinter der Tür.«
    »Du meinst den … den Klostergarten?« Mit einem Mal wurde Magdalena klar, wie die Jungen entführt worden waren. Virgilius musste die beiden aus dem Garten in einen dort verborgenen Gang gelockt haben. Aufgeregt untersuchte sie das verwitterte Holz. Sie konnte aber weder eine Klinke noch ein Schlüsselloch daran finden, die eisernen Angeln machten einen massiven Eindruck.
    »Verdammt!«, zischte sie. »Das ist wieder irgend so ein Teufelsding von diesem verrückten Uhrmacher!« Sie trat gegen die Tür, doch es war, als würde sie gegen Stein schlagen. Nervös blickte sie den abschüssigen, schlüpfrigen Gang zurück, von wo weitere Rauchschwaden zu ihnen hochstiegen.
    »Wenn uns nicht bald etwas einfällt, dann werden wir hier ersticken wie die Füchse im Bau«, murmelte sie. Vergeblich suchte sie die Felswände nach versteckten Ritzen und Löchern ab. Schließlich wandte sie sich ratlos an Simon, der neben ihr auf dem Boden lag.
    »Simon, hörst du mich? Wir werden ersticken! Wach auf, ich brauche deine Hilfe!«
    Simon röchelte, er bäumte sich auf, so als hätte er starke Schmerzen. Endlich gelang es ihm, sich zur Seite zu drehen und sich ein wenig aufzurichten. Er keuchte heftig, offenbar hatte ihn allein diese eine Bewegung unglaubliche Anstrengung gekostet.
    Zwischen Hoffnung und Verzweiflung blickte Magdalena ihren Mann an, dessen Lähmung ganz allmählich nachließ. Würde es schnell genug gehen, damit er ihr helfen konnte? Sie bezweifelte das. Überhaupt wusste Magdalena nicht, was sie sich von Simon eigentlich erwartete. Dass er mit den Fingern schnippte und sich die Tür einfach öffnete? Doch der kleine Medicus hatte schon so oft den einen rettenden Gedanken gehabt. Daher betete Magdalena auch jetzt, dass er so bald als möglich wieder gehen und sprechen konnte. Tränen stiegen ihr in die Augen, als sie an ihr gemeinsames, wohl unausweichliches Schicksal dachte.
    Erstickt vor einer Tür, die in einen duftenden Garten führte.
    »Mutter, wann können wir endlich gehen?«
    Magdalena schreckte aus ihren Grübeleien hoch und sah ihren Sohn müde lächelnd an. »Wir … wir können leider nicht gehen, Peter. Der Vater ist krank, und ich weiß nicht, wie man diese Tür aufmacht.«
    »Aber du musst doch nur den Stein drücken.«
    »Was ? «
    Magdalena fuhr hoch. Sie hatte beinahe vergessen, dass Peter mit seinem Bruder schon einmal hier gewesen war. Gut möglich, dass der Junge beobachtet hatte, wie man die Tür öffnete!
    »Welchen Stein, Peter?« Sie fasste ihren dreijährigen Sohn ganz fest an den Armen und sah ihn eindringlich an. »Hör zu, das ist jetzt sehr wichtig. Welchen Stein muss man drücken?«
    Schweigend deutete Peter auf einen etwa faustgroßen quadratischen Pflasterstein, der rechts nur einen Fingerbreit aus der Wand ragte. Magdalena hatte ihn zwischen all den anderen schiefen Quadern vorher nicht gesehen, doch jetzt sprang er sie förmlich an. Auf seiner Oberfläche war schemenhaft ein lachender Mund eingeritzt, der sie zu verhöhnen schien.
    » Den Stein?«, fragte sie vorsichtig.
    Peter nickte, und Magdalena drückte gegen den Würfel.
    Lautlos glitt der Stein in die Lücke dahinter.
    Ein Klicken ertönte, dann schwang die schwere Holztür ein Stück weit auf. Mit einem Mal war von der anderen Seite her das stete Rauschen von Regen zu hören. Es donnerte, und das zuckende Licht eines Blitzes erhellte kurz den Gang.
    »Du … du bist wunderbar, Peter!«, lachte Magdalena. »Dafür bekommst du Honigkuchen, so viel du essen kannst! Aber zuerst muss ich deinen Vater hier raustragen. Komm, die frische Luft wird ihm bestimmt guttun.«
    Als sie sich beide Simon zuwandten, bemerkte Magdalena erleichtert, dass Simon bereits kniete. Er schwankte wie ein Schilfrohr im Wind, doch immerhin fiel er nicht um. Schwer atmend streckte der Medicus die Hände nach seiner Frau

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