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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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muss.«
    Jakob Kuisl trat aus dem Dunkel hervor, und der Abt sah ihn nun zum ersten Mal. Erstaunt hob Bruder Maurus die schmalen Brauen, darunter blitzten müde, aber kluge Augen.
    »Ihr hier?«, fragte er leicht erstaunt. Doch sofort hatte der Mönch sich wieder unter Kontrolle, ein feines Lächeln erschien auf seinem verwitterten Gesicht. »Das hätte ich mir denken können. Euer Bürgermeister hat recht, Ihr seid wirklich ein lästiger Schnüffler. Aber was soll’s! Nun hat dies alles ohnehin ein Ende.«
    »Ihr habt es die ganze Zeit gewusst, nicht wahr?«, hakte der Henker nach. »Ihr wusstet, dass Euer Bruder hinter all dem steckte.«
    Maurus Rambeck schüttelte müde den Kopf. »Nicht von Anfang an. Doch ich gebe zu, ich hatte meine Vermutungen. Seit Wochen lag mir Virgilius wegen der Hostien in den Ohren. Ich sollte sie ihm besorgen, nur für kurze Zeit. Er würde sie mir dann wieder zurückbringen. Natürlich habe ich mich nicht darauf eingelassen.«
    »Sei verflucht, Maurus!«, keifte der Uhrmacher. Mittlerweile war er mit dem greinenden Jungen auf dem Arm einige Schritte weit auf seinen Bruder zugegangen. »All diese … diese Hindernisse hätten nicht sein müssen, wenn du mir nur die Hostien gegeben hättest! Ich hätte sie gegen andere Oblaten ausgetauscht, niemand hätte etwas gemerkt. Und Elisabeth könnte schon jetzt wieder bei mir sein.«
    »Vergiss deine Elisabeth!«, schrie Maurus. »Sieh endlich ein, dass du sie nicht zurückholen kannst, Virgilius. Sie ist tot, seit nun über dreißig Jahren!« Drohend kam der alte Mann auf seinen jüngeren Bruder zu. »Elisabeths Gebeine vermodern auf irgendeinem Friedhof in Augsburg, ihr Fleisch, ihre roten Lippen, ihre weichen Brüste, die du so begehrt hast, all das ist längst zu Staub zerfallen! Nur ihre Seele lebt noch, doch auch diese wirst du nicht zurückholen können, denn das kann nur Gott!«
    »Nein! Das … das darf nicht sein! Sie … sie muss zurück zu mir, sie muss einfach!« Virgilius stampfte mit den Füßen auf wie ein Kind. Dabei schüttelte er den kleinen Paul so wild, dass dieser wie am Spieß zu schreien anfing. Als der Henker auf die beiden zueilte, rannte Virgilius wieder zum Gerüst zurück und hielt den zappelnden Buben über den Abgrund.
    »Weg! Alle weg!«, kreischte er. »Wir werden jetzt warten, dass der Blitz vom Himmel fährt und mir mein Mädchen zurückbringt!« Er hielt den Kopf hinaus in den Regen und öffnete den Mund, so als wollte er die Tropfen dort draußen trinken. Mit geschlossenen Augen ließ er das Wasser an sich abperlen.
    »Elisabeth war Virgilius’ große Liebe«, versuchte Pater Maurus zu erklären, während er traurig zu seinem irren Bruder hinübersah. »Damals hieß er noch Markus. Er war klug, belesen und äußerst feinfühlig. Als Elisabeth starb, brach es ihm das Herz. Unsere Eltern und ich, wir dachten, es würde vorübergehen, doch im Gegenteil, es wurde immer schlimmer. Schließlich stand mein Bruder nicht mehr vom Bett auf, er trank kaum, er aß nichts mehr. Ein Arzt meinte schließlich, man müsse ihn in die Ferne schicken, damit er dort vergessen kann.« Er seufzte. »Also gab ihm mein vermögender Vater Geld, und mein Bruder ging auf Reisen. Tatsächlich schien es ihm schon bald besserzugehen. Uns erreichten zuversichtliche Nachrichten aus Afrika und Westindien, sie klangen voller Hoffnung. Wir hätten ahnen müssen, dass der Wahnsinn weiter in ihm schlummerte!«
    Virgilius hatte mittlerweile angefangen, ein leises Lied zu summen. Es war die Melodie seines Automaten, dar­über tönte wie ein zweites, schief gestimmtes Instrument das Weinen des Kindes. Erneut überlegte Kuisl, wie er den Uhr­macher überwältigen könnte, doch der kleine Paul baumelte noch immer über dem Abgrund.
    »Als mein Bruder nach Andechs kam und hier als Uhr­macher anfing, da dachte ich, er wäre geheilt«, fuhr der Abt kopfschüttelnd fort. »Doch dann baute er dieses … dieses Monstrum!« Er deutete angewidert auf die grinsende Puppe. »Er kleidete sie wie Elisabeth, er gab ihr sogar ihren Kose­namen! Es muss dieses verfluchte Buch über Golems gewesen sein, das den Wahnsinn in ihm schließlich zum Ausbruch brachte. Von da an war er auch für mich nicht mehr ansprechbar. Er antwortete nicht mehr auf meine Briefe. Als ich dann von Salzburg zurückkehrte und die Stelle als Abt antrat, sah ich erst, wie schlimm es wirklich um ihn stand. Doch es war zu spät. Er wollte nur noch die heiligen Hostien.«
    »Und als er

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