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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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können. Davon abgesehen …« Er zuckte mit den Schultern. »Gerade ein Scharfrichter hat eine Wallfahrt bitter nötig, meint Ihr nicht auch? Und nun gehabt Euch wohl.«
    Simon schob Karl Semer das nicht angerührte Weinglas hin und begab sich zum Ausgang. Der Bürgermeister blieb wie erstarrt sitzen.
    Schließlich griff Semer zu dem Glas und leerte es in einem Zug.
    Magdalena zitterte und zog den dünnen Wollumhang ­enger um sich. In der kalten Klosterkirche fiel es ihr schwer, sich auf ihre Gebete zu konzentrieren. Außerdem überkam sie kurz wieder die Übelkeit der vergangenen Tage. Sie konnte wirklich nur hoffen, dass dies nicht von der ­Krankheit herrührte, die zurzeit im Kloster umging.
    In dem heillos überfüllten Gebäude war es auch an diesem Juniabend kühl und feucht wie in einer Felshöhle. Durch das nur notdürftig abgedichtete Dach des Südflügels fuhr ein stürmischer Wind. Böen pfiffen so laut in den hohen spitz­bogigen Fenstern, dass das lateinische Gemurmel der Messe gelegentlich darin unterging. Die meisten der Wallfahrer und Einheimischen störte das nicht sonderlich, da sie die Worte ohnehin nicht verstanden. Trotzdem lauschten sie andächtig dem Andechser Abt, der den Gottesdienst heute persönlich leitete.
    Der Grund für diese besondere Messe saß ganz vorne, einige Reihen vor den gewöhnlichen Gläubigen. Graf Wartenberg thronte gemeinsam mit seiner Familie unter einem geschnitzten Baldachin. Die zwei blassen, dicklichen Kinder gähnten und vertrieben sich die Zeit mit Neckereien, wobei sie von ihrer jungen Mutter immer wieder ermahnt wurden. Einer der Knaben mochte etwa acht Jahre alt sein, der jüngere saß daumennuckelnd auf dem Schoß der adretten jungen Gräfin. Der Graf, ein Mann in den Vierzigern, mit buschigen Augenbrauen und einem stechenden, arroganten Blick, musterte die Einrichtung der Kirche, als überlegte er sich schon, was davon demnächst in den Kronschatz der Wittelsbacher wandern sollte.
    Auch wenn Magdalena schon viele Kirchen gesehen hatte, erfüllte sie das Andechser Kloster doch mit Ehrfurcht. Sie wusste, dass hier auf dem Heiligen Berg einige der wichtigsten Reliquien der Christenheit aufbewahrt wurden. Dementsprechend respektheischend war die Einrichtung. An den Seiten und auch im Hauptschiff befanden sich zahlreiche ­Altäre, und Türen führten zu weiteren Kapellen. Mächtige Säulen trugen das hohe Deckengewölbe, bunte Kirchenfenster leuchteten überall im Kerzenschein.
    Mehr noch aber als der üppige Prunk beeindruckten Magdalena die vielen Kerzen, die Pilger über all die Jahrhunderte mitgebracht hatten, und die überall in der Kirche aufgestellt worden waren. An den Wänden hingen zahllose, vom Alter teils vergilbte Votivbilder, die von wundersamen Errettungen zeugten.
    »Agnus Dei, qui tollis peccata mundi, miserere nobis …«
    Der Andechser Abt sprach die heiligen Worte, und um Magdalena herum fielen die Menschen demütig auf die Knie. Auch sie selbst kniete nieder und hielt den Kopf gesenkt. Trotzdem spähte sie immer wieder zu Mau rus Rambeck, der einen äußerst nervösen Eindruck machte . Mehrmals hatte er sich verhaspelt oder den Faden verloren, sein Gesicht war leichenblass, er wirkte gehetzt. Ob es an den Ereignissen der letzten Tage oder an dem hohen Besuch lag, vermochte Magdalena nicht zu sagen. Auch sie selbst hatte Schwierigkeiten, sich auf das Beten zu konzentrieren.
    »Domine, non sum dignus, ut intres sub tectum meum. Sed tantum dic verbo, et sanabitur anima mea …«
    Magdalena murmelte mit den anderen die Worte vor der heiligen Kommunion und sah verstohlen hinauf zu der Empore, wo die versammelten Kirchenoberen saßen. Simon hatte ihr die Mitglieder des Kirchenrats ein wenig beschrieben, und so glaubte Magdalena den fetten Cellerar, aber auch den weißhaarigen Bibliothekar und den sensiblen Novizenmeister zu erkennen. Tatsächlich wirkte Letzterer, ein noch verhältnismäßig junger Mann, seltsam in sich gekehrt, seine Augen waren gerötet. Ab und zu zog er ein seidenes Tuch hervor, um sich über das Gesicht zu wischen, bis er von einem hakennasigen Mönch zu seiner Rechten einen groben Stoß erhielt. Magdalena brauchte eine Weile, um zu erschließen, dass dies der Prior sein musste. Er zischte dem Novizenmeister etwas zu, woraufhin dieser sein Tuch wegsteckte und ein leises Gebet murmelte. Auch die anderen Mitglieder des Rats wirkten seltsam angespannt.
    Irgendetwas ist hier faul , dachte Magdalena. Oder hat der Tod der zwei

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