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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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jungen Gehilfen und das Verschwinden eines Fraters die Mönche wirklich so mitgenommen?
    Endlich kam der Abt zum Ende. Er hob die Hände zum Segensgruß, und begleitet von lautem Orgelspiel drängten die Pilger nach draußen. Magdalena blieb noch eine Weile sitzen und beobachtete, wie Maurus Rambeck von der ­Apsis hinunter ins Kirchenschiff ging und sich vor dem Grafen Wartenberg verbeugte. Sie wechselten einige Worte miteinander, dann wandte sich der Graf seiner Familie zu und schickte sie ganz offensichtlich auf ihre Zimmer. Schließlich begaben sich Graf und Abt über eine Treppe hinauf auf die mittlerweile leere Empore, wo sie bereits der Prior erwartete. Murmelnd standen die drei Männer eine Weile beisammen, bevor sie endlich gemeinsam durch eine kleine Tür verschwanden. Es entging Magdalena nicht, dass sich vor allem der Prior dabei immer wieder vorsichtig umsah.
    Was in aller Welt ging hier vor?
    Nach kurzem Zögern stand Magdalena auf und näherte sich vorsichtig der Treppe, die zur Empore führte. Jetzt nach der Abendmesse war die Kirche fast leer. Nur ein paar Ministranten waren noch unterwegs und löschten die zahlreichen Kerzen. Es wurde merklich dunkler.
    Die Henkerstochter blickte sich noch einmal um, dann schlich sie die ausgetretenen Stufen hinauf.
    »Wohl verlaufen, was?«
    Über ihr, gelehnt an das Geländer, stand ein breitschult­riger Mönch und schaute argwöhnisch auf sie herab. Es war der Cellerar, und er war sichtlich schlecht gelaunt.
    »Die Empore und der Chor gehören allein den Mönchen. Sie steht Kirchenbesuchern nicht offen«, knurrte er. »Vor ­allem Weibsbildern nicht. Was also hast du hier zu suchen?«
    »Ich … ich suche die heiligen Reliquien, um davor zu beten«, stotterte Magdalena. »Den ganzen weiten Weg vom Bodensee bin ich zu Fuß hierhergekommen, um ihrer teilhaftig zu werden.«
    »Dummes Weib!«, schimpfte der Mönch. »Meinst du, der Heiltumsschatz steht hier einfach so rum, wo ihn jeder stehlen kann?« Er deutete zu der kleinen Tür, durch die die Kirchenoberen und der Graf verschwunden waren. »In der Heil­tumskapelle ist er verwahrt, nur wenige haben Zugang zu ihr. Wenn du die Heiligen Drei Hostien sehen willst, musst du schon bis nächsten Sonntag warten.«
    »Und der hohe Herr, der gerade mit zwei Eurer Mitbrüder hier hochgekommen ist?«, fragte Magdalena ganz wie ein einfältiges Bauernmädchen. »Der darf den Schatz sehen?«
    »Graf Wartenberg?« Der Cellerar lachte. »Natürlich. Als Wittelsbacher verwahrt er immerhin den dritten Schlüssel. Und jetzt schleich dich, bevor ich dir Beine mache.«
    »Den dritten Schlüssel?« Magdalena war sichtlich erstaunt. »Welchen …«
    »Schleich dich, hab ich gesagt!« Der Mönch kam jetzt drohend auf sie zu. »Neugierige Evastöchter, aus der Kirche sollte man euch alle schmeißen! Natterngezücht!«
    Magdalena hob abwehrend die Hände und huschte nach unten. Unter mehrmaligem Kreuzschlagen und devoten Verbeugungen verschwand sie schließlich aus dem Blickfeld des Cellerars.
    Draußen vor dem Kirchenportal spuckte sie kräftig aus und murmelte einen Fluch. Dieser fette, impotente Mönch würde es noch bereuen, sie so behandelt zu haben! Etwas hier war faul, und sie würde verdammt noch mal heraus­finden, wer und was hinter all diesen seltsamen Vorkommnissen steckte.
    Magdalena schlang sich den Wollumhang um den fröstelnden Körper und atmete tief durch. Der Platz vor dem Kloster war mittlerweile leer und verlassen, nur die Haufen von Mauersteinen und die Säcke mit Kalk und Mörtel erinnerten daran, dass hier tagsüber eine belebte Baustelle war. Im nahen Wald rauschten die Bäume im Wind, vereinzelte Tropfen fielen auf das Pflaster.
    Gerade wollte Magdalena die breite Gasse zum Gasthaus hinuntergehen, um Simon von den Neuigkeiten zu berichten, als ein leises Geräusch sie innehalten ließ. Es war so dezent, dass sie es zunächst für das ferne Zwitschern ­einer Nachtigall hielt. Schließlich erkannte sie, was es wirklich war.
    Irgendwo hinter dem Kloster ertönte eine Melodie.
    Magdalena zuckte zusammen. Es war ein Glockenspiel! Hatte Simon nicht erzählt, dass dieser verschwundene ­Au­tomat in seinem Inneren ein Glockenspiel eingebaut hatte? Unwillkürlich musste sie an den Golem denken, von dem die Mönche gesprochen hatten und der nun im Kloster sein Unwesen treiben sollte.
    Was hatte Simon noch mal gesagt? Ein lebloses Ding, dem ein Mensch Leben eingehaucht hat … Dafür braucht es aber sehr komplizierte

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